Solotörn 2017

29.07.2017

Es ist soweit, die zweite Solotour mit SINAto hat begonnen. Kurz vor halb elf sind die Segel gesetzt und es geht langsam Richtung Süden. Sehr langsam, denn es ist kaum Wind. Eineinhalb Stunden benötige ich bis zur Kirche von Vingrom, das ist schon sehr gemütlich.


Vingrom-Kirche

Eigentlich wollte ich heute nach Gjøvik. Letzte Woche mit Rainer und Michel waren wir in siebeneinhalb Stunden dort, so schnell geht es heute nicht. Ich rechne mit neun Stunden, dann wäre ich gegen 20 Uhr im Hafen fest. Der schwache Wind kommt aus südlicher Richtung, es darf also gekreuzt werden. Allmählich kommt Fahrt ins Boot, mit großem Vorsegel und voll gesetztem Großsegel rauschen wir an Finsandvika, der Außenstelle des Bootsvereins, vorbei. Von Lillehammer her zieht Regen auf, also schnell die Segelsachen angezogen, Schott und Luke geschlossen, und schon fängt es an zu regnen. Lange hält der Regen aber nicht an, dafür frischt der Wind auf. Ich reffe das Großsegel, das geht auch alleine ganz einfach, wir haben das auf der Tour vor einer Woche zu dritt ausreichend üben können. Schot auf, Fall lösen, das Reffauge herunterholen und am Baum festbinden, die Reffleine dicht holen, Fall durchsetzen und Schot wieder dicht holen, das geht recht zügig. Da der Wind immer noch zu stark ist, kommt die große Fock runter und wird durch die kleine ersetzt. Jetzt läuft SINAto wieder prima. Keine große Krängung, aber gute Fahrt, was will man mehr. So geht es bis kurz vor die Mjøsabrücke, der Wind beruhigt sich. Ich lasse die Segel so stehen und verschnaufe ein wenig mit zwei Keksen und etwas zu trinken.


Die Mjøsabrücke ist schon zu sehen

Da es so aussieht, als ob der Wind nicht wieder zunimmt, wird das Reff ausgeschüttet und die große Fock wieder gesetzt. Bis zur Brücke geht es ganz gut voran, dann wird es ruhig. Ich denke darüber nach, in den Hafen von Moelv einzulaufen, aber irgendwie sagt der mir nicht zu. Er sieht sehr voll aus und liegt direkt an der E6, Nachtruhe wird es dort wohl kaum geben. Also weiter. Der Wind zieht sich sehr zurück, fast Flaute. Mit dem Fernglas mache ich einen kleinen Hafen in der Nähe der Ringsaker-Kirche aus, vielleicht sollte ich den probieren. Allerdings kommt wieder etwas Wind auf und ich hoffe nun doch noch, nach Gjøvik zu kommen. Den Hafen lasse ich also liegen und fahre weiter. Nach einer Stunde ist es mit dem Wind vorbei. Mit dem Fernglas mache ich einen Steg aus, der recht einladend aussieht. Also Segel runter und mit Motor zu dem Steg. Eine halbe Stunde motoren wir, bis wir dort ankommen. Ganz langsam schleiche ich an den Steg, habe keine Ahnung, wie tief das Wasser hier ist.

SINAto schnell festgemacht, hole ich das Handlot und messe die Wassertiefe direkt am Steg: 1,10 Meter. Upps, das ist flach, bei 1,50 Meter Tiefgang in der Mitte des Bootes. Hier bleibe ich nicht liegen. Leinen los und das Boot seitlich vom Steg abgedrückt. Rumms, da ist ein Stein. Also langsam mit Motor rückwärts auf dem gleichen Weg zurück, wie ich hineingefahren bin. Das war nicht gut. Einen anderen Steg möchte ich nun nicht mehr ausprobieren, habe genug Glück bei diesem gehabt. So wird dann doch Gjøvik das Ziel dieses Tages. Nach einer weiteren Stunde Fahrt mit Motor sind wir am Skibladnerkai, alles voll. Weiter zum Seglerhafen, dort ist Platz und um halb zehn, elf Stunden nach Abfahrt, sind wir endlich am Tagesziel angekommen. Inzwischen regnet es, ich sitze im Schein der Öllampe am Tisch in der Kajüte und schreibe. Ein gemütlicher Ausklang eines etwas zu langen Tages.


Gemütlich



30.07.2017

Sonntag. Ausruhtag. Das war schon von Anfang an so geplant, denn laut Wetterbericht soll es am Nachmittag regnen. Deshalb wollte ich gestern unbedingt nach Gjøvik, um heute nur eine kurze Tour nach Kapp zu fahren. Als ich um halb neun das erste Mal aus dem Boot schaue, ist es windstill. Eine Stunde später verlasse ich den Hafen, da weht es ein bisschen. Der Wind ist sehr angenehm für einen Sonntagvormittag. Mit voller Besegelung und moderater Krängung kreuzen wir in drei Stunden nach Kapp. Zu berichten gibt es von dieser Tour nichts, außer, dass sie einfach nur schön war. Seit halb zwei liegt SINAto in Kapp.


Mal wieder in Kapp, hier bin ich besonders gerne

Viel Zeit für mich. Ein wenig dösen, Kekse essen, eine Suppe kochen und ein paar Kleinigkeiten erledigen. So haben die Fender endlich neue dünnere Leinen bekommen. Die alten waren dicker und schon ausgefranst, das war immer ein Gefummel, die an der Reling durch das Netz zu befestigen. Zufällig fand ich auch einen gebogenen Draht auf Deck, der mir bekannt vorkam. Das war die "Sicherung" des Bolzens vom Lümmelbeschlag, der den Baum am Mast hält. Jetzt ist der durch einen ordentlichen Sicherungsring gesichert. Geregnet hat es bis jetzt, es ist halb sechs, natürlich nicht. So konnte ich endlich mal wieder ein Stückchen laufen. Der Wind hat aber zugenommen, hatte mir Simone auch per SMS mitgeteilt, dass es heute windstill, aber morgen windiger sein soll. Morgen will ich nach Tangen, das hatte ich letztes Jahr wegen zu starken Windes nicht geschafft. Da ich aber jetzt reffen kann, bin ich optimistisch. Die über den Winter montierte Dirk hilft da sehr, ebenso das neue längere Fockfall, dadurch kann ich das Vorsegel vom Cockpit aus herunterholen, ohne zum Bug gehen zu müssen. Darüber berichtete ich bei der letztjährigen Tour. Alle diesbezüglichen Änderungen funktionieren so, wie erwartet, und machen die Bedienung von SINAto einfacher.

31.07.2017

Nach dem gestrigen faulen Tag bin ich heute früh auf. Halb sieben zeigt die Uhr, als ich mich aus dem Schlafsack pelle. Die übliche Frühstücks- und Boot-Fertigmach-Zeremonie dauert etwa eineinhalb Stunden, so bin ich gegen acht aus dem Hafen heraus. Es bläst ein halber Wind, also von der Seite, aus westlicher Richtung, recht stark, so dass sich Schaumkronen auf den Wellen bilden. Da ich aus der Erfahrung vom letzten Jahr einen zunehmenden Wind erwarte, setze ich nur die kleine Fock und lasse das Groß unten. "Danish Sailing" mit einem schwedischen Boot in Norwegen, da ist fast ganz Skandinavien vereint. Gelegentlich kommt es mir langsam vor, nur mit Vorsegel, aber dann frischt es wieder auf und die Krängung genügt mir. In den Augenblicken bin ich ganz froh, es gemütlich anzugehen. Es dauert keine Stunde, bis Helgøya hinter mir liegt, wenn auch mit weitem seitlichen Abstand, da ich mich eher auf der westlichen Seite des Mjøsa aufhalte. So langsam bin ich also nicht. Außerdem fahre ich keine Regatta, gegen wen auch, hier ist keiner.


Vor der Verengung

Nach zwei Stunden komme ich an die Verengung, hier erwarte ich durch den Düseneffekt den stärksten Wind. Er ist aber sehr drehend und instabil. Möglicherweise kommen hier zwei Windströmungen zusammen, die eher westliche von der breitesten Stelle des Mjøsa und die durch das Relief Richtung Nord umgeleitete. Es beginnt ein nerviger Tanz. Aus dem Halbwindkurs wird ein Amwindkurs, also Wind von vorn. Da er immer wieder zusammenbricht, ist dann die Fahrt weg und SINAto in dem Moment nicht steuerbar. Der dann wieder auffrischende Wind dreht über das Vorsegel das Boot um, und wenn es wieder so viel Fahrt hat, dass ich es gegen den Wind drehen kann, ist er wieder weg. So komme ich nicht weiter, ich drehe mich auf der Stelle hin und her. Das Großsegel wirkt anders. Ein aus dem Stand auffrischender Wind wird das Boot in den Wind drehen und nicht von ihm weg. Tendenziell ist das für die momentane Situation besser. Noch besser wären beide Segel, da heben sich die beiden geschilderten Wirkungen gegeneinander auf. Für beide Segel ist mir aber der Wind, wenn er denn bläst, zu stark. Also nehme ich das Vorsegel weg und setze das Großsegel, gleich mit dem zweiten Reff, also so klein, wie möglich. Zum Setzen des Großsegels fährt man am besten gegen den Wind. Da ich den Motor nicht starten möchte, ziehe ich das Segel etwas hoch und nutze die Fahrt, die über diesen Fetzen erreicht wird, um das Boot gegen den Wind zu drehen. Das geht besser, als gehofft, so klappt das fast reibungslos, wenn ich mir dabei nicht den Baum vor den Kopf gehauen hätte. Aber nichts passiert, Segel ist gesetzt. Der erwartete Effekt tritt ein, nun kann ich trotz stark wechselnder Windstärke meinen Kurs halten und mich den Mjøsa Richtung Süden weiter vorankämpfen. Der Wind ist bald auch wieder konstanter, allerdings mit starken Böen versetzt. So kreuze ich mühsam mit ordentlicher Krängung.


Blick zurück Richtung Helgøya

Nach weiteren zwei Stunden, ich nähere mich der Abbiegung nach Tangen, wird der Wind schwächer. Das gereffte Großsegel zieht nun nicht mehr so gut. Ich warte aber ab und nutze die Zeit, um ein paar Kekse zu holen und ein paar Fotos zu knipsen. Nach einiger Zeit setze ich aber doch die kleine Fock zusätzlich zum Groß, sonst treibe ich mehr zurück, als ich vorwärts komme. Natürlich hat der Wind nur darauf gewartet und legt wieder ordentlich los. Die damit verbundene Krängung ist mir dann doch unheimlich, so nehme ich die Fock wieder weg. Das gleiche Spiel von vorn, wieder kaum Fahrt im Boot. Dann doch wieder die Fock hoch. Das Schlimmste für mich bei starker Krängung ist die starke Luvgierigkeit. Um das Boot auf Kurs zu halten, muss man kräftig an der Pinne ziehen. Das fühlt sich so an, dass es irgendwann nicht mehr reicht und das Boot dann irgendwohin schießt, ohne dass ich Kontrolle darüber hätte. Mit der kleinen Fock und dem zweiten Reff im Großsegel ist diese Luvgierigkeit weg, SINAto ist gut ausbalanciert und lässt sich fast mit zwei Fingern steuern. Also brauche ich nur meine Angst zu überwinden und die Krängung geschehen zu lassen. Mit der Großschot in der Hand, um das Großsegel jederzeit öffnen zu können, wenn es zu arg wird, jagen wir über die Wellen. Zwei- dreimal kommt dabei das Wasser über die Kante, da lasse ich die Schot etwas nach. Ich glaube, ich konnte heute meine Angstschwelle etwas weiter verschieben. Danke, lieber Wind, für die Lehrstunde.


Die Einfahrt nach Tangen direkt voraus um die Nase herum

Allmählich ist die Einfahrt nach Tangen erreicht. Vom Wind etwas abgefallen sausen wir nach Osten. Das Vorsegel nehme ich nun wieder weg, es ist genug Fahrt im Boot. Ich hatte gehofft, dass in dem Nebenarm der Wind schwächer wird, aber weit gefehlt. Der Wind bläst genau Richtung Tangen. Die letzte Strecke geht es vor dem immer noch starken Wind. Eine Halse steht mir noch bevor. Das Großsegel schlägt dann weit geöffnet von einer Seite auf die andere. Üblicherweise unterstütze ich den Vorgang, in dem ich die Schot mit der Hand überlege und dabei den Baum abbremse. Bei Regattafilmen auf youtube mit Booten, wie meinem, habe ich schon beobachtet, dass die nur kurz den Kopf einziehen und das Segel ungebremst durchschlagen lassen. Das Boot verkraftet das also. Bei meiner Halse greife ich trotzdem wieder in die Schot, die noch sehr stramm ist. Und dann schlägt das Segel mit einer Wucht um, dass ich mir wohl die Schulter ausgerenkt hätte, wenn ich da zu bremsen versucht hätte. Eine Halse bei solchem Wind habe ich noch nie gefahren. Wow, und das, wie erwähnt, mit dem zweiten Reff.


In Tangen

Nach sechs Stunden habe ich dann einen Liegeplatz im Bootshafen von Tangen gefunden. Nicht der beste Platz, aber ok. Aber Sanitäranlagen haben die, vom Feinsten. Auf dem Steg meinte gerade jemand, dass es heute wohl 6 Beaufort gewesen sein könnten, das deckt sich mit meiner Einschätzung. Im Hafen fing dann das große Aufräumen an. Kissen, Taschen, alles war durcheinandergepurzelt. So ist das beim Segeln, deshalb muss man bei Abfahrt alles möglichst gut wegpacken.

01.08.2017

Der Liegeplatz ist nicht gut. Wenn der Wind bei der Abfahrt genauso auf den Steg bläst, wie bei der Ankunft, wird es schwierig, wegzukommen, ohne irgendwo anzustoßen. Als ich aufwache ist es recht windstill, und fünf Uhr. Was nun? Noch einmal umdrehen und die Chance verpassen? Nein, ich stehe auf. Ablegen nach der schon erwähnten Zeremonie gegen halb sieben.Der Wind ist auch schon aufgewacht, aber noch nicht richtig. Die Sonne kommt gerade über die Bergkette, wenn die nun noch mitspielt, frischt es bestimmt auf. Also Leinen los, Boot abdrücken und genauso rückwärts aus dem Hafen herausfahren, wie ich gestern vorwärts hineingekommen bin.


Das Wasserflugzeug, das man vom Zug aus immer sehen kann

Wunderbar, das hat schon mal problemlos geklappt. Da der Wind genau in den schmalen Seitenarm hineinbläst und eine Fischfarm und eine Untiefe zu passieren sind, spare ich mir die Kreuzerei am frühen Morgen und motore bis hinter die Untiefe. Normalerweise lasse ich den Motor nicht weit über Leerlauf drehen, er klingt dann angenehmer, so brauche ich eine Stunde, bis das Vorsegel hochgezogen werden kann. Es bläst schon wieder ganz ordentlich, mit halbem Wind rauschen wir zurück zu der Verengung, durch die wir uns gestern drei Stunden lang hindurchgekämpft haben. Eine Zeit lang geht es dort vorm Wind zügig voran, nur die Wellen von hinten sind lästig. Als ein Drittel der Strecke passiert ist, schläft der Wind ein, auch die Wellen halten nicht mehr lange durch und verschwinden. So gemütlich hätte es gestern auch sein dürfen. Irgendwann ziehe ich das Großsegel hoch, das zweite Reff ist noch eingebunden, da lasse ich es erst einmal drin. Nun geht es etwas zügiger, aber immer noch gemütlich voran. Aus der Verengung heraus wird es noch gemütlicher. Beide Reffs werden ausgeschüttet, die große Fock anstelle der kleinen gesetzt, und es ist nur warm. Vorwärts geht es lange nicht. Gegen halb elf erlöst mich der Wind aus dem Stillstand. Und das macht er so, dass bald wieder ein Reff fällig ist.


Die Untiefe, bis zu der der Motor lief

Kurz vorm Nessund hole ich auch die Fock herunter, aber da bin ich schon fast am Tagesziel angekommen. Sechs Stunden nach Ablegen in Tangen liege ich im Hafen vom Bootsverein Nes, direkt an der Nesbrücke. Wegen der frühen Abfahrt habe ich den Nachmittag frei für andere Dinge, da beginne ich doch gleich mit einem Nickerchen. Danach sind wieder ein paar Kleinstreparaturen und Verbesserungen dran. So habe ich den recht merkwürdig gestalteten Baumniederholer durchsortiert, so dass er nicht den halben Mastfuß mit Blöcken belegt. Genügend Teile dazu finde ich immer wieder an Bord, in 35 Jahren wird doch von verschiedenen Besitzern immer mal was umgebaut und die noch brauchbaren Teile landen in irgendwelchen Ecken zur Wiederverwendung. Dadurch habe ich endlich Platz, um auch vorne am Segel Reffleinen einzuziehen und über einen Block ins Cockpit zu leiten. Montiert ist nun alles, wenn es so funktioniert, wie es soll, kann ich zukünftig das Großsegel aus dem Cockpit heraus reffen, ohne an den Mast gehen zu müssen. Das wäre eine deutliche Erleichterung und auch sicherer. Morgen werde ich das in der Praxis ausprobieren.

Nes versucht anscheinend, zumindest was das Bootsleben angeht, das Nizza vom Mjøsa zu werden. Reichlich große Gästeplätze haben sie hier, und dort liegen wohl die größten Sportboote, die es am Mjøsa gibt. Hinter mir parkte vorhin ein bestimmt 15 Meter langes Rennboot. Von hinten sah es ganz normal aus, als ich dann vorbeiging, nahm es überhaupt kein Ende. Wenn man damit in Lillehammer Gas gibt, muss man es wohl spätestens nach einer Stunde wieder wegnehmen, sonst donnert man in Minnesund an Land. Wieviel Sprit es dafür verbraucht, mag ich mir nicht vorstellen. SINAto bräuchte für die gleiche Strecke vier Tage, allerdings mit Pausen. Gewundert hatte ich mich letzte Woche schon über die vielen Wasserschläuche am Steg, heute habe ich gesehen, wozu die benötigt werden. Die werden an Schrubber angeschlossen, und dann können die Gastlieger gleich nach Ankunft ihre Boote putzen. Scheint ein Bedürfnis zu sein ...


Abendstimmung an der Nesbrücke

Zum Abschluss meines freien Nachmittags habe ich die Laufschuhe angezogen und mich auf den Weg gemacht. Zur Skafferiet sind es nur sechs Kilometer, das hatte ich anders in Erinnerung. Also ist der Rundweg um die Insel vielleicht insgesamt zwölf Kilometer lang. Bei herrlichstem Wetter und fast immer Blick auf den Mjøsa ist das eine der schönsten Strecken, die ich je gelaufen bin. Schade, dass Rainer und ich uns letzte Woche nicht dazu aufraffen konnten, hätte ihm bestimmt auch gefallen.

02.08.2017

Lange habe ich geschlafen, ist ja schließlich Urlaub. Der erste Blick auf die Uhr erfolgt kurz vor halb neun. Na gut, dann auf. Heute ist es bedeckt, Simone hat noch eine SMS mit einer Gewitterwarnung geschickt. Noch sieht es aber gut aus. Abfahrt um zehn Uhr mit voller Besegelung. Aus dem Sund heraus frischt es etwas auf, eine gute Möglichkeit, die neuen vorderen Reffleinen auszuprobieren. Also, Schot auf, Fall lösen, dann mit der vorderen Reffleine das Segel herunterziehen. Das klappt nicht, weil die Leine am Reffauge zieht, das darunter liegende Vorliektau lässt sich aber nicht einfach schieben, das verkantet dabei. Also mit einem langen Arm das Vorliek unten gegriffen und heruntergezogen, das geht erstaunlich einfach. Dann das Reffauge mit der Reffleine fixieren, die hintere Reffleine dicht holen, Fall wieder durchsetzen und Schot anziehen. Geht sehr gut vom Cockpit aus, also Ziel erreicht, wenn auch etwas anders, als erwartet.


Fast alle Klemmen sind nun belegt, links die beiden neuen Reffleinen

Die nächsten zwei Stunden sind herrlichstes Segeln. Mit großer Fock und einem Reff im Großsegel geht es am Wind mit einigem Wellengang zügig an Helgøya vorbei. Wie schon neulich über die Kombination kleine Fock und zweites Reff beschrieben, ist auch bei großer Fock mit einem Reff die Luvgierigkeit weg. Die Krängung ist dadurch viel besser zu ertragen. Bei der Ankunft liegen auch wieder ein paar Kissen im Boot verstreut, von Angst war aber keine Spur. Um Helgøya herum kommt der Wind von hinten. Die Gewitterwolken sind auch schon überall zu sehen, also spute ich mich, nach Kapp zu kommen. Als der Wind kurz vor Kapp stark nachlässt, hole ich die Segel herunter und motore den Rest. Um halb zwei ist SINAto vertäut, rechtzeitig vor dem ersten Donnergrollen. Simones Antwort-SMS auf meine Standortmeldung, die ich aber erst später erhalten habe, ist keine so gute. Sie sei krank und wäre daher von der Arbeit vorzeitig nachhause gefahren. Wenn Simone sich nicht zur Arbeit schleppt, bzw. davon wegfährt, muss es ihr schon ganz schön dreckig gehen. Ich sollte also zügigst nachhause kommen, denke ich. Genau bei dem Gedanken blitzt und donnert es fast zeitgleich. Der Einschlag hörte sich nah an. Dazu schüttet es wie aus Kübeln. Kein Wetter, um abzulegen.


Abfahrt unter der abziehenden Gewitterwolke

Die Gewitter sind aber nur klein und lokal, Richtung Norden sieht es besser aus. Also warte ich dieses Gewitter ab, mache mich dann fertig und lege um 19 Uhr von Kapp ab. Nur mit Motor will ich erst einmal nach Gjøvik, dann weitersehen. Eineinhalb Stunden später liegt SINAto im Seglerhafen. Diesmal ließ ich den Motor natürlich etwas höher drehen. Den 25 Liter Tank habe ich mit dem 10 Liter Reservekanister wieder aufgefüllt, das sollte eigentlich bis Lillehammer reichen. Trotzdem fülle ich an der naheliegenden Tankstelle beide Reservekanister voll, damit habe ich fast 40 Liter Sprit an Bord. Ich habe keine Ahnung, wieviel der Motor verbraucht, aber viel kann es nicht sein. Grob überschlagen lief der Motor auf dieser und der vorigen Tour wohl sieben Stunden, verbraucht wurden etwa 10 Liter, das wären 1,5 Liter pro Stunde bei niedriger Drehzahl. Könnte passen.


Rückblick auf Kapp mit Regenbogen

Wie geht es nun weiter? Morgen früh gegen acht Uhr will ich zuhause sein, das Auto steht auch dort, denn Simone wollte mich eigentlich am Freitag nach der Arbeit vom Hafen abholen, da müssen die Laufschuhe für die letzten 17 Kilometer herhalten. Also sollte ich gegen sechs Uhr im Hafen sein. Mit der gleichen Geschwindigkeit von eben brauche ich vier bis fünf Stunden, zwischen ein und zwei Uhr müsste ich hier los. Das wird eine Nachtfahrt unter Motor. Da ich nicht weiß, wie dunkel es gegen Mitternacht ist, werde ich hier ein wenig dösen und mich dann auf den Weg machen, wenn es mir hell genug ist. Wir werden sehen.

03.08.2017

Kurz vor Mitternacht schaue ich das erste Mal aus dem Fenster. Noch kann man genug sehen, um zumindest aus dem Hafen zu kommen. Aber es ist ja Sommerzeit, da ist Mitternacht um ein Uhr, der Sonne ist es schließlich egal, wie wir unsere Uhren verdrehen. Also noch einmal umdrehen und Augen zu. Zehn vor eins der nächste Blick. Es ist deutlich dunkler, man kann sogar Sterne sehen, was im Juni hier nicht der Fall ist. Aus dem Hafen komme ich aber, dazu ist es hell genug, auch wegen der Hafenbeleuchtung. Auf gehts, Leinen los um ein Uhr, dann rückwärts aus dem Hafen, und schon sind wir unterwegs. Es ist eine völlig neue Erfahrung, im Dunkeln war ich noch nie mit dem Boot unterwegs. Man sieht zwar viele Lichter, aber der Verlauf des Ufers ist nicht immer eindeutig zu erkennen.


Der Nordhimmel ist nicht ganz dunkel

Sehr hilfreich ist das Fernglas. Immer wieder versuche ich damit das Ufer zu erkennen und Lichtpunkte in der Ferne auszumachen, zu denen nur Wasser führt. Diese Lichtpunkte steuere ich dann direkt an. Das geht eigentlich ganz gut, zumal ich den Weg schon zweimal gefahren bin und mich an die zu meidenden Ecken gut erinnern kann. Kritisch ist es sowieso nicht, bei der Geschwindigkeit tauchen Hindernisse ja nicht so plötzlich auf, dass man nicht mehr ausweichen könnte. Zum Glück ist der nördliche Himmel recht hell und klar. Bei dem Gedanken fällt mir schlagartig ein, dass ich Wolken oder womöglich Nebel jetzt überhaupt nicht gebrauchen könnte. Ein anderes Problem, an das ich überhaupt nicht gedacht hatte, ist die Kälte. Trotz vollem Segelzeug mit Südwester als Ersatzmütze ist mir lausig kalt. Ich versuche, eine Decke als Schild gegen den Wind zu nutzen, das klappt aber nur leidlich, zumal sie bei Gebrauch des Fernglases immer verrutscht, und das nutze ich wirklich oft.


Blick zurück nach Gjøvik, der Südhimmel ist schwarz

Ein besonders schauriger Moment ist die Durchfahrt unter der Mjøsabrücke. Ich weiß, dass das passt, aber schon bei Licht ist das kein toller Anblick, im Dunkeln ist es überhaupt nicht abzuschätzen. Man sollte einfach nicht hinschauen. Gegen halb vier wird es so hell, dass ich das Fernglas nicht mehr benötige. Ich bringe es zurück in die Kajüte und nutze den Augenblick ohne den kalten Fahrtwind. Währenddessen wird die Pinne von einem Gummistropp gehalten und muss nur gelegentlich nachjustiert werden. Wenn ich hier stehenbleiben könnte und irgendwie an die Pinne herankäme, wäre das Problem mit der Kälte gelöst. Das ist es, ich binde den Bootshaken an der Pinne fest und verlängere die damit bis zur Luke. Jetzt kann ich im Niedergang stehen, bekomme den Wind nur noch ins Gesicht und tippe ab und zu an den Bootshaken für eine kleine Richtungskorrektur. Mit der Decke umhülle ich mich zusätzlich, vermumme mich sogar manchmal so, dass nur noch die Augen herausschauen. Jetzt ist es auszuhalten, ich taue wieder auf. Der Rest ist nur noch eine Frage der Geduld. Sehen kann ich genug und die Kälte ist erträglich. Irgendwann ist es dann geschafft, der Heimathafen ist da und ich tuckere in meine Box. Als alle Leinen fest sind, schaue ich auf die Uhr. Es ist Punkt sechs. Etwas räume ich noch hin und her, dann mache ich mich auf den Weg. Um acht war ich dann doch nicht zuhause, war eher halb neun, aber nach fast schlafloser Nacht und ohne Frühstück ist es akzeptabel. Unterwegs fielen mir dann die Kekse ein, die ich extra für die Nachtschicht bereitgelegt, aber dann vergessen hatte. Wenn man beim Laufen nur noch an Essen denkt, ist das ein klares Zeichen.


Meine Rettung gegen die Kälte

Inzwischen sind die Kekse weggeputzt. Ich sitze frisch geduscht und mit dem Auto zurückgekehrt im Boot und schreibe meinen Text fertig, denn noch sind die Erinnerungen frisch. Simone ist übrigens wieder zur Arbeit gefahren, hat sich wohl über Nacht deutlich erholt. Die Tour auf diese Weise abzubrechen war dennoch gut und richtig. Wäre Simone weiterhin krank, hätte ich auch keinen Spaß mehr daran gehabt. Außerdem war gestern seglerisch der perfekte Tag, der so länger in Erinnerung bleibt. Die zwei Stunden am Wind auf der Ostseite von Helgøya waren einfach Klasse, konstanter Wind, schöne Wellen und ein sehr gutes Segelverhalten, da passte alles zusammen. Und das Erlebnis einer Nachtfahrt war auf jeden Fall ein besonderer Abschluss.
eMail Gästebuch

13.08.2017