Sechs Tage auf dem Limfjord in Dänemark

Auch der diesjährige Törn geht nach Dänemark, der Limfjord ist groß und letztes Jahr habe ich nur einen kleinen Teil davon ersegeln können. Ich habe mir dafür die Woche nach Pfingsten freigenommen, um einen Tag Urlaub zu sparen.

Landkarte
Wieder ist der Norden Dänemarks das Ziel der Reise

Freitag, 02.06.

Es geht wieder los. Der Limfjord soll weiter erkundet werden, nachdem letztes Jahr das Wetter das Vorhaben ziemlich zunichte gemacht hat. Abfahrt am Nachmittag gegen halb drei, um sechs Uhr an Flensburg vorbei. Die Pfingststaus halten sich in Grenzen und ab Dänemark ist der Verkehr die reinste Erholung. Trotzdem komme ich in Amtoft erst gegen halb elf an. Der Seewetterbericht sagt vier bis fünf Windstärken voraus, später zunehmend. Leider ist der Empfang des Senders auf dem Autobahnparkplatz sehr schlecht, deshalb schalte ich die Sendung schnell ab. Hoffentlich kann man am Wasser mehr verstehen.

Start
Nicht sehr freundliches Wetter beim Start in Amtoft
Samstag, 03.06.

Habe im Auto unruhig geschlafen. Gut, dann kann ich um fünf nach sechs nochmal den Seewetterbericht hören. Dummerweise hört mein Körper nicht auf mich und holt sich den verpassten Schlaf doch noch. Pünktlich zum Ende der Sendung schaue ich auf die Uhr.

Es ist saukalt, trotzdem baue ich das Boot nach einem Frühstück mit Brötchen vom Kaufmann auf. Petrus ist anderer Meinung und versucht mich mit einsetzendem Regen umzustimmen. Als er meine Hartnäckigkeit bemerkt, gibt er auf und schickt etwas Sonne zur Versöhnung. Allerdings erst, nachdem das ziemlich naß geregnete Boot im Wasser liegt. Um 10:45 stoße ich mich ab. Der Törn beginnt. Der Windmesser zeigte im Hafen 7-8 m/s, Böen knapp unter 10 m/s. Die vorhergesagte Windstärke 4-5 scheint zu passen. Direkt nach der Hafenausfahrt geht es rechts herum, ich will durch den Feggesund in den Thisted Bredning. Als erstes Etappenziel habe ich mir den Hafen von Thisted überlegt, wenn es ganz gut liefe, wäre auch Vilsund erreichbar. Doch eins nach dem anderen.

Zuerst kommt der Feggesund. Schon der Weg dorthin segelt sich recht naß. Der Wind kommt aus Westen und genau da muß ich hin. Und er ist stärker, als es mir nach der langen Winterpause lieb ist. Als ich die Fähre über den Feggesund passiert habe, wird das Wasser plötzlich sehr gelb. Obwohl ich sofort abfalle, schrammen beide Schwerter und auch das Ruder über den Grund. Mist, nächstes Mal sollte ich doch genauer auf die Karte schauen. Habe sie wieder auf das Heck geklebt, doch ich komme nicht dazu, sie anzusehen, da die Wellen und der Wind meine ganze Aufmerksamkeit verlangen. Immer wieder muß ich kreuzen, da mein Kurs auf direktem Weg nicht zu machen ist.

Es wird windiger. Weiße Schaumkronen sind nicht mehr nur einzeln zu sehen, sondern überall. Bei solch einem Wind war ich noch nie unterwegs. Überall im Boot ist Wasser, vielleicht sollte ich mir doch ein Lenzventil einbauen. Auch die Wellen sind nicht ohne. Teilweise brechen sie sogar. Bisher habe ich immer versucht, nicht weiter zu krängen, als daß das Luvschwert noch etwa zur Hälfte im Wasser ist. Heute ist es manchmal komplett in der Luft. Einmal läuft sogar das Wasser über die Leeseite ins Boot. Und immer wieder spritzen die Wellen über das gesamte Boot. Das Segel ist bis zur unteren Segellatte klatschnaß. Auch mein Salzbedarf sollte für die nächsten Tage locker gedeckt sein. Trotzdem vermittelt mir SINAen nie das Gefühl der Unsicherheit. Natürlich bin ich mit der Großschot auf der Hut. Kaum habe ich sie dichter geholt, kommt eine Böe und ich muß sie wieder fieren. Ab und zu öffne ich das Segel ganz, um mit der Pütz zu lenzen. Dummerweise springt mehrfach ein Inspektionsdeckel auf, und ich will nicht, daß dort Wasser reinläuft.

Endlich sehe ich Thisted. Das Gelände öffnet sich weiter nach Westen und der Wind kommt jetzt völlig ungebremst heran. Das Boot ist kaum noch zu halten. Ich wende, um näher an Land zu kommen, vielleicht ist dort etwas weniger Wind. Doch er weht genau am Ufer entlang, sobald ich an den Knick komme, geht nichts mehr. In unmittelbarer Nähe sehe ich einen Steg. Gut, ich gebe auf, dort halte ich und beende den Törn für heute. Kaum habe ich festgemacht, sehe ich, daß der Steg unvollständig ist, es dauert auch nicht lange, bis ein Däne kommt und mir klar macht, daß ich hier nicht festmachen darf, weil der Steg noch im Bau ist. Er hat Angst, daß er noch nicht hält. Mit einer langen wasserdichten Hose kommt er ins Wasser und hält SINAen fest, bis ich den Anker zu Fuß ausgelegt habe.

Baustelle
An diesem Steg bin ich einen Tag zu früh

An dieser Stelle sei angemerkt, daß mein Trockenanzug nach der zweiten Reparatur endlich dicht ist. Prima Sache! Es ist halb zwei, ich war fast drei Stunden unterwegs. Eine Stunde lang lenze ich mit Pütz und Schwamm und ruhe mich etwas aus. Noch schnell ein Foto von den Bauarbeiten, dann setze ich wieder das Segel zum zweiten Anlauf nach Thisted. Doch es ist unverändert. Sobald der Wind ungestört einfällt, geht nichts mehr. Sehr mühsam wende ich, eine Halse ist mir zu gefährlich. Das Problem ist, daß ich den Wind nicht in Fahrt umsetzen kann, sondern nur in Krängung und Segelknallen. Irgendwann ist es dann geschafft und ich laufe vor dem Wind am Ufer entlang. Der Däne sprach von einer nicht weit entfernt liegenden Anlegestelle. Da will ich hin. Trotz Schwerter kommt SINAen mächtig ins Gleiten, das hatte ich bisher auch noch nie erlebt. Der Druck auf das Segel ist so groß, daß die aufgerollte Fock stark durchhängt.

Eine halbe Stunde nach Ablegen laufe ich auf den Strand von Malle, steige aus und bringe das Boot zu Fuß zum Steg. Einen Anlegeversuch habe ich mir bei dem Wind nicht getraut. Am Kopf des Steges sind zwei Schilder mit durchgestrichenen Segelbooten angebracht. Ich interpretiere das großzügig so, daß ich an der Seite festmachen darf. Außerdem ist das ein Notfall, wer will mich bei diesem Wetter mit einer Jolle wegschicken? Am Steg messe ich über 16 m/s Wind. 7 Beaufort im geschützten Bereich (bei 17,2 m/s beginnt bereits Windstärke 8)! Meinen Verklicker hat es übrigens zerrissen, am Mast hängen nur noch ein paar Drähte. Später stelle ich auch noch fest, daß die beiden mittleren Lattentaschen aufgerissen und die Segellatten fortgeflogen sind. Glücklicherweise habe ich Ersatz dabei.

Ich bringe alles Nasse an Land zum Trocknen, schwatze mit einem netten alten dänischen Paar (er hatte vor 60 Jahren auch eine Jolle) und werde mir gleich einen windstillen Platz für den Kocher suchen. Die Glücksfee hat Kartoffelsuppe aus dem Konserven-Lostopf gezogen.

Die Wettervorhersage sieht gut aus. Ab Montag soll es ruhiger werden. Mal sehen, was morgen wird. Das Boot ist in der Sonne wieder schön getrocknet, bis ich abends die Persenning hervorkrame, um den Schlafplatz klar zu machen. Da ergießt sich aus der Persenning ein Wasserstrahl und das Boot ist wieder naß. Hätte ich sie besser auch an Land gebracht. Egal, mit dem Schwamm notdürftig trochenwischen, Matratze rüber und ab ins Bett. Kaum liege ich im Schlafsack, fällt mir mein Segelhut ein. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich ihn nach dem Trocknen an Land wieder ins Boot gebracht habe. Bloß nicht weiter drüber nachdenken, sonst schläft es sich noch schlechter.

Malle
Gestrandet in Malle
Sonntag, 04.06.

Die Nacht war wieder mit einigen Schlafunterbrechungen versehen, und wieder ist es halb sieben, als ich morgens auf die Uhr sehe. Also gut, kein Seewetterbericht. Dann fällt mir meine Kappe wieder ein. Ich kremple das Boot von oben nach unten, die Kappe ist weg. Auch auf dem Strand sehe ich sie nirgends. Da wird wohl eine Böe sie ins Meer getragen haben. Verflixt, ohne Mütze ist mir das zu kalt und zu windig. Notfalls habe ich noch den Südwester, der ist eigentlich für Regenwetter gedacht. Ob ich jemals wieder so eine perfekt sitzende Kappe bekomme? Sie saß wie eine zweite Haut und trotzte jeder Böe.

Frühstück gibt es auf einer der vielen Bänke mit Tisch, danach will ich wieder los. Das Boot ist schon klar gemacht, nur noch das Frühstück zurückbringen, dann geht es fort von diesem Ort der Verbotsschilder. Wohl eine der reicheren Gegenden. Riesige Häuser mit teilweise fußballfeldgroßen Gärten bis zum Wasser. Nur zufällig streift mein Blick einen Sandhaufen kurz vorm Steg. Wie eine ausgetrocknete Qualle am Strand fast unsichtbar liegt dort ein runder Gegenstand. Die Farbe identisch mit dem Sand, perfekt getarnt: Meine Kappe!

Zwanzig vor neun binde ich SINAen vom Steg los. Hoffentlich schaffe ich heute Vilsund. Raumschots düse ich an der gestrigen Baustelle vorbei. Der Steg scheint fertig zu sein einschließlich Fahnenmast mit dänischer Flagge. Etwas mulmig ist mir schon, als ich Richtung Thisted komme, und wieder nimmt der Wind enorm zu. Doch ist er diesmal nicht ganz so stark wie gestern. Es gibt wieder weiße Schaumkronen und es segelt sich sehr naß, aber ich komme durch und erreiche das gegenüberliegende Ufer, dort kann ich endlich abfallen und jage raumschots Richtung Vilsundbrücke. Nach eineinhalb Stunden lege ich an einem Steg kurz vor der Brücke an.

Die Seekarte muß gewechselt werden und im Begleitheft lese ich die Öffnungszeiten der Brücke: "Man nähere sich der Brücke mit Flagge "N" und gebe Signal "kurz-lang". Sportboote müssen bis zu 30 Minuten warten". Ich habe natürlich keine Flagge und tuten kann ich auch nicht. Also gehe ich zu Fuß zur Brücke, um mit dem Brückenpersonal zu reden. Doch da kommt man nicht heran. So frage ich im dahinter liegenden Hafen Vilsund. Die Brücke öffnet sich jeweils zur halben und vollen Stunde, heißt es dort. So hätte man es im Heft auch schreiben können.

Ok, es ist zwanzig vor elf, fertig machen! Fünf vor elf lege ich ab und fahre zur Brücke. Als ich sie erreiche, beginnen die beiden roten Lampen zu blinken. Wie ein Regattasegler vor der Startlinie kreuze ich vor der Brücke. Da, sie geht auf! Die Lampen blinken immer noch, aber ich würde schon durchpassen. Eigentlich sollte ich das Fertig-Signal abwarten, aber wozu. Auf kürzestem Weg fahre ich hindurch, worauf sich die Brücke sofort wieder schließt. Zum Dank einmal die Hand gehoben, würde mich als Brückenwärter auch freuen, wenn ich nicht ignoriert würde. Kein anderes Boot ist weit und breit zu sehen. Dänemark steht still nur für mich!

Vilsundbrücke
Die Vilsundbrücke schließt sofort nach meiner Durchfahrt wieder

Überhaupt ist hier seglerisch nichts los. Gestern sah ich fünf Yachten. Vier nur mit Fock vorm Wind und eine Richtung Thisted unter Motor. Dazu fällt mir ein Ex-Kollege ein. Als er die Fotos meines Bildschirmschoners sah, outete er sich auch als Segler. "Jolle?" frage ich "Nein, richtig!" Ja, wo seid ihr denn, ihr richtigen Segler? Eh' euch die Kaffeetasse vom Tisch rutscht, bleibt ihr wohl lieber im Hafen! Hinter der Brücke ist es ruhig, so kann ich die ersten Bilder dieses Törns vom Boot aus schießen. Dabei wären die Bilder vom rauhen Segeln viel eindrucksvoller. Wenn plötzlich neben einem eine Wasserwand aufspritzt, der Bug die nächste Welle ansticht oder der Baum durchs Wasser zieht. Solche Bilder sind nur im Kopf.

Den Hafen von Vilsund lasse ich liegen, will lieber etwas Strecke machen. Aber auch hier beuteln mich einige Böen und als ich etwa eine Stunde später einen Steg sehe, lege ich dort kurz vor zwölf an. Genug für heute. Einen wunderschönen Rastplatz ohne Verbotsschilder treffe ich hier in Skyum Øststrand an. Wenn die Prognose vom Seewetteramt stimmt, wird es morgen ruhiger, dann segele ich vielleicht ein paar Stunden länger, so sind mir 2-3 Stunden pro Tag anstrengend genug. Vorhin kam ein kleines Boot vorbei, könnte ein Folkekoot gewesen sein, übrigens das einzige, das ich bis jetzt (3 Uhr) gesehen habe. Es krängte gewaltig, war sicher keine schlechte Idee, frühzeitig aufzuhören. Jetzt gibt es erstmal einen "Feuertopf" aus meinen Konservenvorrat.

Skyum
In Skyum Øststrand verbringe ich die zweite Nacht an einem Steg

Montag, 05.06.

Schon gestern Nacht war es ziemlich kalt, deshalb versuchte ich es diesmal mit dem Fleece-Pullover. Dafür habe ich heute eiskalte Füße. Um halb sechs ist die Nacht vorbei. Es ist sehr still draußen. Vielleicht endlich mal ein Tag um länger zu segeln. Leinen los um sieben. Mit gemütlichem achterlichem Wind geht es durch den Visby Bredning. Nach nur 90 Minuten passiere ich die Fähre über den Nees Sund. Danach heißt es Tonnen suchen. Anfangs sehe ich es nicht so eng, schleife dann aber mit beiden Schwertern über den Grund. Fortan halte ich mich streng an die Betonnung. Gar nicht so einfach, sie in der Entfernung auszumachen. In der Theorie mißt man mit dem Kursdreieck den Kurs von Tonne zu Tonne und fährt nach Kompaß. Mit einer Jolle ist das unterwegs kaum zu machen. Man müßte vor der Abfahrt jeden Kurs aufschreiben. Aber ich habe nicht einmal einen fest eingebauten Kompaß. Also muß es nur nach Auge und Gefühl gehen. Und es geht gut.

Die Einfahrt in den Kås Bredning überrascht mich dann doch, die Tonnen kommen nach meiner Vorstellung viel zu früh. Bald sehe ich den Hafen von Sønderby. Alles klar, der Kurs stimmt. Etwas später erscheint auch die Sallingsundbrücke. Diesmal ist es keine Zugbrücke, hier passe ich locker durch. Der Wind bläst mittlererweile mit gut 4 Beaufort genau den Sallingsund herunter. Zweieinhalb Stunden kreuze ich, bis ich endlich unter dem riesigen Bauwerk durchfahren kann. Mittlererweile hat sich auch gewaltiger Hunger eingestellt, so daß ich beschließe, im nächsten Hafen festzumachen. Zwar sind gelegentlich schöne Stege zu sehen, doch die liegen alle völlig ungeschützt, so wird dann der Hafen von Glyngøre das Ziel dieses Tages.

Wie so oft mühe ich mich gewaltig, einen Liegeplatz zu erreichen. Dort, wo die kleinen Boote liegen, bläst der Wind genau in die Boxen. So liege ich denn mal wieder zwischen größeren Booten, dabei war mir mein neuer Teleskopbootshaken ein guter Helfer, denn mit Paddeln gegen den Wind habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. In acht Stunden habe ich heute den südlichen Teil von Mors umrundet. Habe gestern schon damit geliebäugelt, geglaubt habe ich daran jedoch nicht.

Keuchtturm
Dieser Leuchtturm steht im Hafen von Glyngøre

Dienstag, 06.06.

Schon das Datum hätte Warnung genug sein müssen: 666, die Zahlen des Teufels. Doch der Reihe nach. Ich hasse Hafenausfahrten, vor allem, wenn ich ganz hinten in einer engen Box liege und einen langen engen Weg zum Ausgang habe. Weht dann noch der Wind kräftig aus der falschen Richtung, bin ich schweißgebadet, wenn es dann endlich geklappt hat. Heute läuft alles glatt. Es weht nur ein schwacher Wind und mit dem Bootshaken hangele ich mich soweit wie möglich. Dann das Segel gesetzt und es ist Platz genug, um mit fünf Wenden um acht Uhr den Hafen zu verlassen. Der Wind hat über Nacht auf West gedreht, und so bleiben mir die Kreuzschläge erspart. Ich will vor der Insel Fur durch den Fursund und dann nach Süden segeln. Virksund könnte das Ziel sein.

Schon gestern hatte ich die Seekarte ausgetauscht. Diese beginnt erst mit dem Fursund, die Einfahrt ist jedoch nicht zu verfehlen, denn ich kann sie vom Hafen aus bereits sehen. Um halb zehn biege ich dann auch nach Osten ab. Laut Karte müßte bald ein Ort kommen, ich sehe aber keinen. Sollte er hinter den Klippen nicht zu sehen sein? Stattdessen schauen mich plötzlich zwei schwarze Knopfaugen an. Ein Seehund! Vielleicht zwanzig Meter entfernt an Steuerbord. Und ich habe die Kamera zufällig griffbereit. Wahllos halte ich drauf, ob es was geworden ist? Im Display konnte ich beim Fotografieren nichts erkennen. Um Akku zu sparen, schaue ich auch erst zuhause nach. So nah und in freier Wildbahn habe ich das noch nicht erlebt. Später sehe ich einen zweiten, weiter entfernt und voraus. Ich mache die Kamera wieder klar, doch er taucht nicht wieder auf.

Seehund
Wer findet den Seehund?

Dafür finde ich die grüne Bake, also bin ich auf dem richtigen Weg. Jetzt kann nichts mehr schief gehen, denn ich brauche nur noch dem rechten Ufer zu folgen. Ich finde sogar den schmalen Durchgang, allerdings nicht die Betonnung. Von Steuerbord kommt ein größeres Schiff, merkwürdig, wo war das? Die Bucht, aus der es kommt, ist laut Karte total flach. Und sie erscheint mir auch wesentlich größer. Sehr merkwürdig. Doch ich bleibe optimistisch. Bisher paßte das meiste und gestern war ich auch schon einmal irritiert, und am Ende war doch alles richtig. An Steuerbord liegt ein Hafen, der müßte an Backbord liegen, da ist aber keiner, noch nicht einmal geeignetes Land dafür. Ich könnte in den Hafen fahren und nachsehen, wo ich bin, doch ich lasse es sein. Im Geiste ziehe ich schon gegen den Kartenhersteller vor Gericht, was die für einen Mist zeichnen!

Hartnäckig folge ich dem rechten Ufer. Es kommt ein weiterer Hafen, es könnte der gegenüber von Hvalpsund sein. Nun, das wird sich schnell zeigen. Ich segele vorbei in Erwartung von Hvalpsund, doch da ist eine Brücke, bei Hvalpsund ist aber eine Fähre. Jetzt reicht's, ich drehe um und laufe in den Hafen ein. Es ist viel Platz und ich lege gleich vorne an einer Holzwand an. Der Weg zum Hafenbüro ist sehr weit, ganz den Hafen entlang, über eine Brücke und an der anderen Seite zurück. Dann sehe ich, wo ich bin. Ich lese mehrfach, weil ich es nicht glauben will: Løgstør! Im Nordosten des Fjordes, dabei wollte ich in den Südosten. Das kann doch überhaupt nicht sein. Ich hole meine Übersichtskarte heraus und versuche den Fehler zu finden. Allmählich verstehe ich, was passiert ist. Ich bin nicht vor der Insel Fur in den Fursund abgebogen, sondern um die Insel herum gefahren.

Ich war mir so sicher, daß die Klippen, die vom Hafen aus zu sehen waren, die Einfahrt in den Fursund sind. Tatsächlich sind sie das nördliche Ende der Insel Fur. Den Fursund habe ich nicht gesehen, weil das Segel in Lee die Sicht verbarg. Ob ich es denn gemerkt hätte, wenn ich mehr hätte sehen können, ist allerdings fraglich. Unfaßbar: Schon nach einer Stunde passierte mir der Fehler. Von da an bin ich fünfeinhalb Stunden nach einer Seekarte gefahren, deren Gebiet ich zu keiner Zeit berührt hatte! Ein Wunder, daß ich überhaupt noch in Dänemark bin! Direkt vor Løgstør befindet sich ein riesiges Flachwassergebiet mit einer schmalen Fahrrinne. Durch dieses flache Wasser bin ich problemlos hindurchgefahren. Vielleicht hätte ein Blick zur Sonne nicht geschadet, wenn der Kurs gestimmt hätte, hätte sie im Norden scheinen müssen, mittags und hoch am Himmel!

Nachdem ich mich einigermaßen sortiert habe, breche ich wieder auf. Ich will südwärts, wenigstens nach Rønbjerg oder auch weiter. Der Fahrrinne folge ich kurz um dann über das flache Wasser abzukürzen, hat ja vorhin auch wunderbar funktioniert. Diesmal kommt die Bodenberührung sehr schnell und ich folge der Fahrrinne dann doch noch schön brav bis zur letzten Tonne. Hab' schon genug Mist gebaut für heute. Es wird dann eine sehr schöne Fahrt, erst mit halbem, später mit raumem Wind so um die 4 Beaufort. Super Wind, super Wellen, super Wetter, segele mich richtig in einen Rausch. Und ich weiß wieder, wo ich bin.

Nach dreieinhalb Stunden erreiche ich Hvalpsund gegen sieben Uhr mit einem ganz normalen Hafenmanöver: Einfahrt mit achterlichem Wind und ganz viel Platz. Ich entschließe mich, in der riesigen Slipanlage anzulegen. Also umdrehen, Nase in den Wind, Segel bergen und ohne Segel in die Slipanlage treiben lassen. Soweit der Plan. Natürlich hat sich die oberste Segellatte mal wieder seinen Weg durch das mürbe Tuch gebahnt und klemmt jetzt an der Saling, das Segel läßt sich nicht bergen. Folglich dreht SINAen etwas und nimmt Fahrt auf in Richtung Luxusyacht. Ich hechte ans Ruder, keine Reaktion, also nach vorne und am Festmacher der Yacht das Boot 30 Zentimeter vorm Aufprall gestoppt. Dann dort angebunden, das Segel geborgen, wieder abgestoßen und vom Wind in die Slipanlage treiben lassen. Wie schon gesagt: Ein ganz normales Hafenmanöver.

Hvalpsund
Angekommen in Hvalpsund

Mittwoch, 07.06.

Da es gestern später geworden ist, schlafe ich heute etwas länger. Gegen halb acht bin ich wach. Draußen heult's. Das war eigentlich vom Wetterdienst nicht so angesagt. Also erst mal aufstehen. Es sind bis zu 10 m/s Wind schon am frühen Morgen. Bisher wurde der Wind im Laufe des Tages stärker. Trotzdem fange ich langsam an, mein Schlafzimmer in ein Boot zurück zu verwandeln. Ein Däne, vielleicht Mitte vierzig, fragt mich, ob ich im Boot geschlafen hätte. Wir kommen ins plaudern. Er ist Lehrer und erwartet heute seine Schüler zu einem Unterricht am Wasser. Sie wollen ein Floß bauen, später mit seiner Yacht, die vor SINAen in der Slipanlage liegt, herumfahren und dann Austern zu Mittag essen. Seine Frau hilft ihm dabei.

Ich hole Brötchen im Dorf und als ich zurückkomme, ist die Rasselbande schon da. Sieht gut aus, von weitem. Schaut man genauer hin, fehlt irgendwie die Organisation. Die Frau kümmert sich um die Gören gleichzeitig an zwei Schauplätzen. Zum einen beim Floßbau und zum anderen zwischen den Stegen, wo sich die Kinder an Leinen mit einem Optimisten übers Wasser ziehen. Ein vielleicht zehn Jahre altes Mädchen läuft mit einem offenen Teppichmesser vom Floßbau herum, während die Frau aufpaßt, daß keiner beim Optimisten ins Wasser fällt. Und wo ist er? Er fährt schon die ersten Schüler mit der Yacht umher. Wahrscheinlich bin ich zu deutsch, um das uneingeschränkt gut zu finden.

Dänische
Schule auf dänisch

Ich mache mich fertig. Richtung Amtoft soll es gehen. Virksund hebe ich mir für ein anderes Mal auf. Ob ich jetzt nördlich um Fur herum oder durch den Fursund fahre, entscheide ich unterwegs, mal sehen, wie sich das Wetter da draußen anfühlt. Gegen halb elf verlasse ich den Hafen ohne besondere Vorkommnisse. Der Wind hat auf West gedreht, ich muß also hart am Wind Richtung Fur segeln. Die fünf Windstärken machen das Segeln wieder naß und anstrengend, deshalb ist mir sehr schnell klar, bis Amtoft komme ich heute nicht. Also doch zum Hafen von Fur, wie mir der Lehrer ans Herz gelegt hat. Da muß ich aber erstmal hin.

Als ich zum Eingang des Fursundes komme, bläst der Wind in Stärke sechs. Wieder sind viele weiße Schaumkronen zu sehen. Da der Hafen genau gegen die Windrichtung liegt, segele ich zuerst an das Südufer der Insel Fur. Was für ein erbärmliches Geknüppel. Endlich bin ich in Ufernähe, doch viel Schutz bietet es nicht. Der nächste Steg ist mein Tagesziel! Doch es kommt keiner. In Ufernähe kreuze ich mühsam Richtung Westen. Immerhin sehe ich schon den Hafen, was sehr motiviert. Und dann ist es doch geschafft. Zweieinhalb Stunden nach Verlassen von Hvalpsund fahre ich in Fur ein. Direkt am Eingang finde ich einen freien Liegeplatz, irre lang, mindestens fünfzehn Meter. Doch hier liegen noch mehrere kleine Boote. Zwei Plätze weiter zum Beispiel eine holländische Etap 20, kaum zwei Meter länger als SINAen. Also sofort die Nase in die Box, Vorleine am Poller befestigt, dann die Achterleinen klar gemacht, Vorleine wieder los und in die Box gezogen. Perfekt, als wenn ich nie etwas anderes getan hätte.

Diesmal ist sogar ein Hafenmeister anwesend, der ohne Frage nach der Bootslänge 80 dänische Kronen einnimmt. In den anderen Häfen habe ich bisher nichts bezahlt, weil der Hafenmeister nicht da war. Im Schaukasten hing meistens eine Telefonnummer, unter der er erreichbar ist. Ein bißchen kreativer könnten sie schon sein. Briefumschläge, in die man das Geld legt, den Bootsnamen aufschreibt und ein Aushang, was die Nacht kostet, würde völlig ausreichen, aber so? Wahrscheinlich ist auch noch keine Saison.

Gerade sind die Holländer aus dem Hafen gelaufen, der Wind hat etwas nachgelassen, und jetzt mühen sie sich auch gegenan. Der kleine Außenborder hat es kaum geschafft. Mit Fock und Groß kreuzen sie nun davon. Den gleichen Weg werde ich morgen wohl auch nehmen, raus aus dem Fursund und dann Richtung Norden nach Amtoft.

Fur
Der Hafen von Fur

Donnerstag, 08.06.

Die ganze Nacht über pfeift es in den Masten. Komme ich hier heute weg? Um sechs quäle ich mich aus dem Schlafsack, um einen besseren Eindruck vom Wetter zu bekommen. Eine niedrige geschlossene Wolkendecke läßt keine Sonne durch. Richtung Osten sieht es nach Regenschauern aus. Wer weiß, was noch kommt? Laut Wetterbericht nimmt der Wind bis zum Wochenende eher zu als ab. Vielleicht sollte ich sofort starten und das Frühstück in Amtoft nachholen? Mit dem Windmesser ziehe ich los und messe bis zu 10 m/s. So gut ist es dann auch nicht, um dafür das Frühstück zu verschieben. Also gehe ich in den Aufenthaltsraum des Hafens und esse etwas. Ich habe mich schon so an das Draußensitzen gewöhnt, daß es mir hier drin wie in einer Sauna vorkommt. Morgens ist es noch richtig kalt und abends gibt es keine geschützten Plätze in der Sonne, da der Wind fast immer aus Westen kommt. Man kann wählen zwischen windstillem Schatten und zugiger Sonne. Ohne den dicken Windbreaker wäre ich wohl schon erfroren.

Dann geht es aber doch los, schließlich will ich den Törn heute beenden. Viertel vor acht verlasse ich den Hafen. Wind und Wellen sind gut, so geht es recht stressfrei nach Westen. Die große Brücke bei Glyngøre ist kaum zu erahnen, schade daß das Wetter am letzten Tag so ungemütlich aussieht, aber von der Sicht bin ich die letzten Tage auch sehr verwöhnt worden. Mit Verlassen des Fursundes wird der Wind auch wieder stärker. Jetzt muß ich nur noch ans Ostufer von Mors und diesem bis zum nördlichen Ende folgen. Geschenkt bekomme ich den Weg nicht, aber er ist machbar.

Ein Rundumblick über das Boot zeigt mal wieder ein Problem. Die Befestigungslasche für den Kentersack ist ausgerissen, das untere Ende des Sackes hat sich über die Mastspitze gelegt. Wie soll ich so das Segel bergen? Der obere Teil des Sackes ist mit dem Großfall verbunden und der untere hängt jetzt fest. Doch das Problem löst sich von selbst. Das zu schwach geknotete Bändsel löst sich und gibt den Sack wieder frei. Die Lasche und das Bändsel kommen mit auf die Verlustliste dieser Tour. Hoffentlich hält der obere Knoten, sonst ist der Kentersack für rund 150 Euro auch noch futsch.

Auch der längste Weg ist einmal zuende. Bald mache ich in der Ferne die letzte Gefahrentonne aus und um elf Uhr laufe ich in Amtoft ein. Nachdem alles verstaut ist, beginnt die Rückreise gegen ein Uhr und endet mit riesigem Stau vor einer Baustelle in Dänemark um halb zehn.

Wieder
Die Fahrt endet, wo sie begann: in Amtoft


Wenn ich auf diesen Törn zurückblicke, bleibt eine aufregende Woche, in der ich wieder viel erlebt und gelernt habe. Vor allem das Verhalten von SINAen bei solch starkem Wind beeindruckte mich schon sehr. Durch das erstmals mitgeführte Kurzwellenradio ergab sich ein strengerer Ablauf als sonst. Pünklich um 21:05 mußte Seewetter gehört werden. Es lohnte sich unbedingt, denn so hatte ich einen guten Überblick über die Wetterlage. Auch der neue Bootshaken war sehr hilfreich. Den hatte ich mir eher zufällig angeschafft, weil ich mit dem Kaufpreis bei einer Versandhandelbestellung die Grenze zur verpackungs- und portofreien Lieferung erreichte.

Der Limfjord hat mich wieder nicht enttäuscht, er bleibt für mich ein wunderbares Segelrevier, auch und gerade für Jollen. Ich kann ihn jedem Fahrtensegler nur empfehlen.

Überschattet war der Törn allerdings von einem Ärgernis der besonderen Art. Rechtzeitig zur Abreise hatte ich mir ein neues Großsegel machen lassen, mit Reffreihe für den erwarteten stärkeren Wind. Beim ersten Setzen des Segels am Steinhuder Meer kam dann die große Enttäuschung, das Großfall am Anschlag waren unten etwa 20 Zentimeter Tuch übrig. Also frustriert wieder nachhause gefahren und alles vermessen. Das Segel entspricht den Klassenvorschriften, kein Wunder, es wird von Segelform per Computer zugeschnitten. Der Mast darf nach Klassenvorschrift nicht länger als sieben Meter sein, meiner hat aber nur 6,75 Meter, es fehlen also 25 Zentimeter. Als mir das Boot vor zwei Jahren verkauft wurde, gab man mir ein Großsegel mit, dessen Segelnummer nicht zu dem Baujahr des Bootes paßt und das ein Regattasegel sei, wurde mir jedenfalls gesagt. Damit war für mich klar, daß der Mast die Originallänge haben muß, wenn er mit einem beliebigen anderen Regattasegel gefahren werden kann. Tatsächlich ist das Vorliek des alten Segels 45 Zentimeter kürzer als beim neuen Segel. Welcher Regattasegler segelt mit solch einem Segel? Wenn das wirklich stimmt, wird 4983 in keiner Rangliste weiter oben aufgetaucht sein.

Segelveregleich
Oben das neue Segel, unten das "Regatta"-Segel von BTM

Hätte ich das Boot von privat gekauft, wäre ich vielleicht noch mißtrauisch gewesen, aber bei einem Kauf von BTM, dem einzigen Hersteller der Ixylon, hatte ich absolut nicht damit gerechnet. Eine Stellungnahme von BTM erhielt ich trotz mehrfachen vergeblichen Telefonanrufen erst nach schriftlicher Fristsetzung und Androhung rechtlicher Konsequenzen. Der Mast entspräche den Klassenvorschriften, heißt es, außerdem sei die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen. Natürlich entspricht der Mast den Klassenverschriften, da außer der Höhe des Großbaumes alle Angaben Maximalwerte sind. Jeder Besenstiel mit mindestens 1,20 Metern Länge entspricht den Angaben über den Mast in der Klassenvorschrift. Ich denke aber, daß man auch die Maße des Segels berücksichtigen muß, und wenn man an einem Mast ein maßgerechtes Segel nicht setzen kann, dann stimmt da etwas nicht.

Um Schadensersatz zu erhalten, müßte ich jetzt gerichtlich weiter vorgehen. Ich müßte einen versteckten Mangel und, um die Gewährleistungsfrist auszuhebeln, arglistige Täuschung nachweisen. Dafür werfe ich einem Anwalt wahrscheinlich mehr Geld hinterher, als ein neues Segel kostet, und ich ärgere mich noch mehrere Monate mit dem Thema herum. Stattdessen habe ich das Segel zu Segelform zurückgeschickt, dort wird der Kopf etwa 25 Zentimeter gekürzt, was mich 150 Euro extra kostet. Und ich werde veröffentlichen, daß ich mit dem Verhalten von BTM weder zum Zeitpunkt des Verkaufs noch zum Zeitpunkt der Reklamation einverstanden bin. Das ist hiermit geschehen.


eMail Gästebuch

17.06.2006