Fünf Tage auf Mariager- und Limfjord in Dänemark

Es sollte eine Woche Segeln in Dänemark auf dem Limfjord werden. Doch schon der Anfang hatte eine Überraschung parat. Kaum gestartet, brach bei Bispingen das Auspuffrohr am zweiten Topf ab. Mit lautem Geknatter fuhr ich noch die 200 Kilometer bis Flensburg, parkte nachts um 12 Uhr auf dem Gelände eines riesigen Autohauses und übernachtete im Auto. Über die weiteren Ereignisse führte ich ein Tagebuch.

Landkarte
Der Norden Dänemarks

Samstag, 16.07.

Gegen 10 Uhr beginnt der zweite Anlauf nach Dänemark. Um 280 Euro erleichtert aber wesentlich leiser geht es erneut auf die Autobahn. In Dänemark ist Bettenwechsel (deshalb wollte ich ja auch am Freitag fahren), und entsprechend voll sind die Straßen. Nach mehrfachem Stillstand verlasse ich die Autobahn bereits bei Veilje und gelange über die 13 nach Virksund, dort soll der Törn beginnen. Im Internet sah die Slipanlage richtig gut aus, aber jetzt ist ein Steg mit einer niedrigen Brücke davorgebaut. Da ich den Mast nur an Land stellen kann, ist die Anlage für mich nutzlos.

Also weiter nach Hvalpsund zum nächsten Hafen. Schöne Slipanlage, unendlicher Parkplatz, aber kein Boot auf dem Wasser. Sollte der Wind so stark sein, daß sich selbst die Dickschiffe nicht hinauswagen? Nach längerem sondieren der Lage (Wo hängt der Wetterbericht? - Gibt es nicht. Was kostet das Slippen? - 100 Kronen) fasse ich allen Mut zusammen, fahre zur Slipanlage und baue auf. Da läßt sich auch endlich der Hafenmeister blicken, hat keine Ahnung vom Wetter (daß es sowas überhaupt gibt), kassiert aber sofort die 100 Kronen. Als alles fertig ist, traue ich mich doch nicht. Noch immer macht sich kein anderes Boot auf, den Hafen zu verlassen. Und der Wind bläst stramm direkt auf die Slipanlage. Da finde ich endlich den Windmesser des Hafens. Ich beobachte ihn einige Zeit, der Wind schwankt zwischen 8 und 12,5 m/s. Bisher bekam ich Windangaben immer in Beaufort (Bft). Natürlich kann ich m/s nicht auswendig in Bft umrechnen (sollte man eigentlich können, ich werde es auch nie wieder vergessen!). Zum Glück weiß ich, wo ich eine Tabelle habe: zuhause im Regal im Lehrbuch. Haushüter und Schwiegervater Heinz hilft telefonisch, das Ergebnis ist vernichtend. 5 bis 6 Bft, zuviel für mich und SINAen (so heißt meine Ixylon: SImone AnNA eins (norwegisch en)).

Hvalpsund
Die Slipanlage im Hafen von Hvalpsund

Also schiebe ich das aufgebaute Boot mitsamt Trailer auf den Parkplatz und besuche Lovns. Dort haben wir 1991 Urlaub gemacht. Anna war damals 4 und wir gerade mit dem zweiten Semester fertig. Auch wenn es sehr schön ist, tut es mir immer weh, die Stätten der Vergangenheit aufzusuchen. Abends fummele ich noch ein wenig am Boot herum, als mich jemand auf deutsch anspricht: "Das wird wohl nichts in den nächsten Tagen." Wir kommen ins Gespräch. Der deutsche Segler Paul liegt mit seiner Vindö 28 im Hafen. Er hat früher auch Jolle gesegelt (Pirat) und mich die ganze Zeit beobachtet. "Der wird doch wohl nicht ..." hat er gedacht.

Gegen 21 Uhr geht er auf sein Boot, hört den Wetterbericht und schreibt ihn für mich mit. Der Wind soll so stark bleiben, in Schauerböen sogar noch stärker werden. Er rät mir, den Limfjord zu vergessen und an den Mariagerfjord nach Hobro zu fahren. Der Fjord ist schmal, durch das Land geschützt und kann keine große Welle aufbauen. Doch zuvor lädt er mich auf seine Yacht ein. Sein Sohn (21) begleitet ihn zur Zeit, doch der steckt sich Kopfhörer in die Ohren und ist nicht da. Wir sitzen bis 23 Uhr im Cockpit der Holzyacht und reden über dies und das, dann verabschiede ich mich. Es ist noch nicht ganz dunkel, also baue ich SINAen doch noch ab und mache mich auf Richtung Hobro. Gegen 1 Uhr finde ich einen ruhigen Parkplatz und schlafe die zweite Nacht im Auto.

Sonntag, 17.07.

Der Mariagerfjord empfängt mich mit Sonnenschein. Idyllisch sieht er auch aus und das Slippen ist kostenlos. Also schnell das Boot aufgebaut und los.

Hobro
Die Slipanlage im Hafen von Hobro

Gegen 11 Uhr verlasse ich den kleinen Hafen. Der Wind kommt genau von achtern und ist stärker, als es mir lieb ist. Nur mit dem Großsegel muß ich sehr auf die Richtung achten, jede Böe will mich vom Kurs abbringen. An Backbord tauchen zwei Stege auf, ich versuche sie anzulaufen, doch sie sind völlig ungeschützt, und so lasse ich sie liegen. Direkt dahinter befindet sich eine kleine Bucht, sieht sehr ruhig aus und am Ende ist ein kleiner Steg. Dort will ich anlegen und Mittagspause machen. Doch anstatt in Luv die Segel herunterzunehmen und mich an den Steg treiben zu lassen, versuche ich direkt anzulegen. Das Segel ist unten, die Fahrt weg und zum Steg sind es noch fast zwei Meter. Aber das Boot steht. Ein Schwert hat Grundberührung. Als ich es hochnehme, treiben wir schnell ab, paddeln ist bei dem Wind zwecklos. Schnell den Anker klar gemacht und ausgelegt, doch er faßt nicht. Als ich ihn später hochhole, ist er ein grüner Algenball, keine Spitze guckt aus den eingesammelten Pflanzen mehr heraus. So treiben wir an den Schilfsaum, zum Glück ohne Steine, und ich lege den Bug auf den Sand. Zurück zum Steg treidel ich das Boot dank Trockenanzug ohne Probleme, nur mein linker Fuß ist naß, dort ist der Anzug immer noch nicht in Ordnung.

Steg
Der idyllische Steg im Mariagerfjord

Nach dem SINAen festgemacht ist, wird erstmal alles Nasse an Land gebracht und getrocknet. Der Platz ist wunderbar gelegen, so etwas habe ich letztes Jahr auf meinem ersten Törn vergeblich gesucht, deshalb entscheide ich schon jetzt, daß ich heute nicht mehr weiter segeln werde. Stattdessen ruhe ich mich aus, koche mir eine Linsensuppe windgeschützt zwischen Holzstämmen. Zwei nette nasse Hunde, ein Schäferhund und ein Labrador, finden meine Suppe interessanter als die Rufe des dänischen Herrchens. Ein Spaziergang durch die angrenzenden Hügel rundet diesen Tag ab. Auch wenn ich eigentlich zum Segeln hierher gefahren bin, ist es ein gelungener Tag. Zwar war ich nur eine halbe Stunde unterwegs, aber ich habe hier endlich Ruhe gefunden, schreibe seit zwei Stunden Tagebuch, was mich mehr entspannt, als ich je gedacht hätte (das ist, wie ein Buch zu lesen, nur anders herum) und werde endlich auf dem Boot zum ersten Mal unter der Zeltpersenning schlafen. Im Vergleich zu der Hundehütte vom letzten Jahr ist das Platzangebot riesig. So kann man es aushalten.

Montag, 18.07.

Um halb neun lag ich gestern abend schon im Bett. Folglich ist gegen halb sechs die Nacht zuende. Das paßt ganz gut, denn so kann ich früh los und hoffe, daß wenigstens morgens die Böen nicht so heftig sind wie am Vortag. Nur mit dem Vorsegel lege ich gegen halb sieben ab. Es ist das erste Mal, daß ich das Groß weglasse, aber diesmal will ich ja auch nur in eine Richtung fahren. Das Boot läuft prima, völlig stressfrei. Keine Angst vor Patenthalsen, keine ungewollten Kursänderungen bei Böen. Die Fock zieht das Boot den Fjord hinunter, egal ob mit halbem oder achterlichem Wind. Ich bin nur Passagier und genieße den Morgen und die Aussicht auf die hügelige Landschaft. Nach einer Stunde liegt an Backbord eine kleine ruhige Bucht, Zeit zum Frühstücken. Eine halbe Stunde Pause vor Anker. Das tut gut, habe schließlich noch nichts gegessen. Diesmal hält der Faltanker. Als ich ihn klar mache, fällt mir ein, daß ich ihn gestern in der Eile wahrscheinlich nicht arretiert hatte. Dann kann er auch nicht halten, bisher hatte er mich auch noch nie enttäuscht. Weiter gehts, vorbei an Mariager, sieht recht einladend aus. Assens, die nächste Stadt, ist häßlich, zumindest vom Wasser aus. Gegenüber der Hafen von Vive, niedlich, vielleicht zum Übernachten.

Mariagerfjord
Nur unter Vorsegel durch den Mariagerfjord

Allmählich könnte ich etwas Warmes vertragen, aber weit und breit finde ich keine Anlegestelle, die mir zusagt. So nähern wir uns der Brücke von Hadsund. Der Wind ist kaum noch spürbar, vom Gelände völlig abgedeckt. Mit der Fock dümpele ich an einen kleinen Steg und lege an. Sehr ordentlich, die Pfähle schwarz gestrichen. Ein Motorboot liegt an der linken Seite, auf dem Steg zwei Stühle und zwei Liegen. Sieht sehr privat aus. Nebenan mäht jemand Rasen, wahrscheinlich der Gärtner, denn es sieht hier doch sehr reich aus. Ungern möchte ich stören und zum Mittagessen hier bleiben. Also setze ich jetzt auch noch das Großsegel und drehe wieder um. Es ist gegen 11 Uhr, weiter durch die Klappbrücke möchte ich nicht, aber eventuell laufe ich auf dem Rückweg einen Hafen an. Vive wäre vielleicht ganz nett. Auf dem Weg dorthin überlege ich es mir doch anders. Ich werde versuchen, den gemütlichen Steg von gestern zu erreichen und dort Essen machen.

Mariagerfjord
Viele schöne Plätze gibt es am Mariagerfjord

Der Wind kommt jetzt je nach Gewässerverlauf ziemlich von vorn. Alle anderen Boote motoren. Viele auch vor dem Wind, das verstehe ich überhaupt nicht. Doch hinter mir, vielleicht 500 Meter entfernt, kreuzt jemand. Sofort ist mein Ehrgeiz geweckt. Bloß nicht überholen lassen. So gebe ich alles, doch das andere Boot kommt langsam näher. Hinter Assens überrascht mich eine Böe aus einer völlig unerwarteten Richtung. Die Fock steht back, das Boot fährt sofort eine Wende. Mich auf die andere Seite werfen, Fockschot lösen und Fock aufwickeln sind eins. Puh, gerade noch mal gut gegangen. Eine Zeit lang segele ich nur noch mit dem Groß und der Wind beruhigt sich wieder. Also Fock wieder gesetzt, noch bin ich vorne. Noch zweimal wird mir der Wind zu frisch und ich nehme die Fock wieder weg, setze sie aber kurz danach wieder. Auf Dauer wird es mir aber zu riskant, ich rolle die Fock ein und lasse mich kurz darauf überholen. Die dänische Besatzung winkt freudig. Einige Zeit verfolge ich meinen "Gegner".

Es wird schmaler im Fjord und der Wind weht über das nördliche Ufer. Die Dänen sind etwa 100 Meter voraus, als sie nach Nord wenden. Wieso fahren die in die Abdeckung, denke ich mir und das Jagdfieber flammt wieder auf. Also doch noch einmal die Fock ausgepackt. Als ich an die Stelle komme, an der die Dänen wendeten, ist absolute Flaute. Deshalb haben sie ihren Kurs geändert. Ich muß auf der südlichen Seite bleiben, denke ich, denn am Nordufer kann der Wind nur schwächer sein. Nach kurzer Zeit geht es auch schon weiter. Langsam kämpfe ich mich wieder heran. Die Dänen bleiben am nördlichen, ich am südlichen Ufer. Vielleicht haben die auch ein Problem mit dem Tiefgang? Es ist auf jeden Fall ein spannendes Ereignis. Als ich meine Bucht am Nordufer erreiche, kreuze ich ihren Kurs und habe bestimmt 200 Meter Vorsprung. Auf Wiedersehen D134, das hat Spaß gemacht!

Das Anlegen am Steg klappt dafür wieder nicht, es ist einfach zu flach. Diesmal nehme ich in Luv die Segel weg, sitze aber mit den Schwertern auf Grund. Als ich sie hochnehme, treiben wir knapp am Steg vorbei. Also wieder hinein ins Wasser und einen nassen linken Strumpf abholen. Kurz nach drei Uhr liegt SINAen fest. 8 Stunden reine Segelzeit liegen hinter uns. Endlich gibt es Mittag, Reistopf mit Klößen. Der Wind schläft nahezu ein. Vielleicht sollte ich doch noch den Limfjord riskieren? Kurz vor fünf lege ich wieder ab und kreuze noch eineinhalb Stunden bis Hobro. Das Boot wird verladen und um halb neun bin ich wieder zurück in Hvalpsund. Der Limfjord ist wie verwandelt, bei 3 bis 4 m/s Wind hat er einen Wellengang wie der Heidesee in der Lüneburger Heide.

Dienstag, 19.07.

Um fünf Uhr stehe ich auf, möchte ich doch das gute Wetter ausnutzen und zum ersten Mal auf eine Insel segeln. Livø ist das erklärte Ziel. Die Insel im Limfjord soll sehr schön sein und einen niedlichen Hafen haben. Gegen halb sieben lege ich ab. Der Wind weht schwach von achtern. Die Pinne mit dem Gummistropp befestigt, sitze ich vorne und baume mit der Hand die Fock aus. In der Schmetterlingsstellung geht es gemütlich voran. Noch ist kein Mensch zu sehen. Allmählich nimmt der Wind zu und dreht. Mit halbem Wind und teilweise ohne Fock geht es Richtung Livø. Der Himmel ist bedeckt, eigentlich ideal, im Trockenanzug ist es genau richtig warm und einen Sonnenbrand brauche ich auch nicht.

Ertebolle
Die imposante Steilküste von Ertebolle auf dem Weg nach Livø

In Livø angekommen, mache ich etwa viertel nach zehn an der Hafeneinfahrt fest und betrete das Land. Es ist geschafft, meine erste Insel habe ich selbst ersegelt. Der Hafen ist wirklich sehr klein und nicht auf Jollen vorbereitet. Eine Viertelstunde später sitze ich wieder im Boot. Ich umfahre die Insel auf seiner Ostseite und möchte den Løgstør Bredning durchfahren, der Hafen von Amtoft soll die Endstation für heute sein. Ohne Kompaß schätze ich die Richtung und merke mir in der schemenhaft zu erkennenden Geländekontur einen Fixpunkt. Schon nach kurzer Zeit gebe ich ihn auf, weil ich an der grünen Tonne vorbeikomme. Der neue Fixpunkt liegt weiter nördlich zwischen zwei Erhöhungen. Ich vermute, daß dazwischen die Durchfahrt nach Amtoft liegt.

Ein Blick in den Himmel zeigt dunkle Wolken, allerdings in Lee, wenn die nicht gegen den jetzt herrschenden Wind ziehen, ist es kein Problem. Allmählich nähere ich mich der angepeilten Durchfahrt. In einiger Entfernung sind Segelboote zu sehen, die Richtung scheint zu stimmen. Doch plötzlich sehe ich ein Auto zwischen den Bergen fahren, es scheint näher als die Boote zu sein, und tatsächlich verdeckt das Auto einen kurzen Moment ein Segelboot, es ist näher. Ich warte auf das zweite Auto, vielleicht habe ich mich ja auch getäuscht. Nein, ich habe mich nicht geirrt, diese Durchfahrt ist keine. Ein Vergleich mit der Karte zeigt, ich bin zu weit westlich.

Von Backbord nähert sich eine deutsche Yacht und dunkle Wolken ziehen auf. Der Wind nimmt auch ordentlich zu. Das sieht nicht sehr gut aus. Die Deutschen könnten auch Richtung Amtoft fahren, um Schutz im Hafen zu suchen. Ich falle ab und entscheide, der Yacht grob zu folgen. Voraus ist der Hafen nicht zu erkennen, nur zwei Siedlungen. Eine davon muß Amtoft sein. Ich vermisse eine Gefahrenstellentonne, die laut Karte etwa voraus liegen müßte. Endlich sehe ich sie, die Yacht hält genau darauf zu. Ich folge ihr. Als sie die Tonne passiert, luvt sie an und setzt Kurs Richtung der linken Siedlung. Mir ist klar, die wollen in einen Hafen. Nichts wie hinterher. Noch zwei weitere Boote aus verschiedenen Richtungen haben die Siedlung als Ziel. Hurra, der Hafen ist gefunden, jetzt nur noch ankommen.

Der Wind bläst kräftig und das Segeln wird naß. Noch erscheint es mir nicht gefährlich, aber was bringen die schwarzen Wolken? Die drei Boote voraus nehmen die Segel herunter und zeigen mir die Einfahrt in den Hafen, genau gegen den Wind. Auch das noch. Die letzten 500 Meter schaffe ich gut und jetzt in die enge lange Hafeneinfahrt, Jollensturm direkt von vorn. Ohne Wende komme ich nicht hindurch. Dreimal wechsle ich den Bug auf engstem Raum mit viel Krängung, dann ist es geschafft. An einem Fischersteg mache ich erstmal fest. Es ist Viertel nach eins. Es dauert nicht lange bis ein Fischer kommt und mir klar macht, daß ich dort nicht liegen kann. Das weiß ich auch, aber fahrend komme ich dort nicht weg. Mit zwei zusammengeknoteten Seilen ziehe ich SINAen schließlich hinüber zu den anderen Yachten und mache direkt neben den Deutschen in der letzten Box fest. Ich weiß nicht, wie ich an eine andere Stelle im Hafen gekommen wäre. Paddeln ist bei diesem Wind zwecklos.

Amtoft
Im Hafen von Amtoft, SINAen neben Brise

Dieter, so heißt der Eigner, hilft mir bei der Heckleine und lädt mich auch gleich ein. Er ist mit der vierköpfigen Familie und deren Dehler 32 "Brise" unterwegs und kommt aus Hamburg. Das Mittagessen steht schon auf dem Tisch und ich bin willkommen. Bratwurst mit Knödeln und Rotkohl. Apfelmus mit Zimt zum Nachtisch. Donnerwetter, das hätte ich nicht erwartet. Später sitzen wir wieder zusammen im Cockpit. Der Abendbrottisch wird wie selbstverständlich für fünf gedeckt. Erst gegen halb elf verlasse ich die nette Familie, krieche in mein Zelt und schlafe sehr gut.

Mittwoch, 20.07.

Kurz vor sieben bin ich wach. Alles ist still. Schnell aufstehen, vielleicht ist ja doch gutes Wetter, entgegen den Vorhersagen von gestern, die immer 6 Bft Wind versprachen. Nicht zu vergessen die Schauerböen. Der Blick rundum enttäuscht dann doch. Große Cumuli glotzen mich herausfordernd an. Da steckt viel Energie drin. Also wird es wohl doch nichts mit Segeln heute. So schlimm wäre es auch nicht, ich könnte auch einen Ruhetag einlegen. Und da ich schon einmal wach bin, fange ich gleich gemütlich an. Beim Kaufmann im Hafen erstehe ich zwei Brötchen und setze mich zusammen mit meinem Nutellaglas auf die nächstgelegene Bank, von denen es reichlich im Hafen gibt.

Amtoft
Gewaltige Wolken über Amtoft

Kaum habe ich die erste Brötchenhälfte genossen, kommt ein Auto angefahren und hält auf dem angrenzenden Parkplatz der Fischer. Ein Mann, vielleicht gerade Rentner, steigt aus, schaut sich um, kommt herüber und fragt: "Er du alene?" Ich zeige auf SINAen, er fängt an zu plaudern. Wir verständigen uns darauf, daß er langsam und ich soweit möglich norwegisch spreche. Es klappt ganz gut. Er wohnt in der Nähe, man kann sein Haus sehen. Muß ein toller Ausblick vom Frühstückstisch sein. Stolz berichtet er, daß der Verein für 500.000 Kronen das Hafenbecken ausbaggern ließ, alles auf eigene Kosten. Deswegen ist er froh, daß im Moment viele Boote im Hafen liegen. Bei 70 Kronen Liegegebühr pro Boot und Nacht müssen auch noch etliche kommen. Dann muß er los. Die Frau wartet.

Amtoft
In einem der roten Häuser wohnt der nette Däne. Links der Frühstücksplatz

Ich frühstücke weiter. Auch wenn die Wolken immer noch bedrohlich wirken, sogar einen Regenbogen gibt es, bleibt der Wind verhältnismäßig schwach. Vielleicht geht doch noch was. Erstmal das Boot klarmachen. Luftmatratze und Schlafsack zusammenrollen und die Persenning herunternehmen. Auf dem Nachbarboot erwacht ebenfalls das Leben. Plötzlich springt ein Mann mit einem Windmesser auf die Mole. Das will ich auch wissen und hefte mich an seine Fersen. Motiviert durch die gelungene Kommunikation beim Frühstück quatsche ich ihn mit meinem Norwegisch an. Nach ein paar Wortwechseln: "Er du tysk?" "Ja." "Dann können wir auch auf deutsch reden. Ich komme aus Frankfurt!" Toll, wenn internationale Verständigung auch auf nationaler Ebene funktioniert. Er mißt 3 Bft und hat dasselbe Problem wie ich, ein kleines Boot. Mit einer 5,70 langen schwedischen Stor Triss fürchtet auch er den starken Wind. Sein Ziel: Rønbjerg. Da wollte ich heute auch hin. Also los. Er startet. Das Nachbarboot ist auch fertig und legt mit Ziel Løgstør ab.

Stor_Triss
Stor Triss auf dem Weg nach Rønbjerg

Ich komme als letzter um 11 Uhr aus dem Hafen, das kleine Boot ist schon weit voraus. So schnell wie möglich will ich hinterher. Zum einen brauche ich dann nicht zu navigieren und zum anderen ist es gut, wenn jemand in der Nähe ist, sollte der Wind doch stark zunehmen. Mit Fock und Groß geht es gut voran, doch schnell frischt der Wind auf. Also die Fock wieder einrollen. Die ersten Tropfen fallen, und dann schüttet es. Der Südwester liegt ganz unten im Seesack. Gut für ihn, da wird er wenigstens nicht naß. SINAen pflügt durch die Wellen, läuft prima und fühlt sich gut an. Doch dann muß ich an den erst gestern zitierten Spruch meines Segellehrers denken: "Kommt der Regen vor dem Wind, reff die Segel ganz geschwind. Kommt der Wind vor dem Regen, kannst Dich ruhig schlafen legen." Was gilt hier? Gehörte das Auffrischen zu dem Regen oder war der Wind durch die Landabdeckung zuvor nur geschwächt? Schnell überlege ich meine Möglichkeiten. In den Wind drehen, Großsegel bergen und stattdessen mit der Fock weiterzusegeln ist praktisch nicht durchführbar, und reffen läßt sich mein Segel nicht. Fazit: Ich habe keine Alternativen. Als der Regen nachläßt, wird es spannend. Was macht der Wind? Zuerst läßt er nach, gefühlte Flaute. Lange traue ich mich nicht, die Fock wieder auszurollen. Kommt da noch was oder ist das alles? Nach zehn Minuten gebe ich Entwarnung, rolle die Fock aus und warte auf den nächsten Schauer.

Limfjord
Zwischen den Schauern sieht die Welt sehr freundlich aus

"Brise" wollte eigentlich nach Løgstør, dafür fahren sie sehr weit westlich. Erst als ich fast an die Stor Triss herangekommen bin, durchfahren sie mein Kielwasser Richtung Ost. Sollten sie auf mich aufgepaßt haben? Sieht fast so aus. Auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl, beobachtet zu werden und im Notfall schnell Hilfe bekommen zu können. Vielen Dank dafür! Drei Schauer überrollen uns noch. Jedesmal lenze ich mit dem Schwamm etwa zwei Liter. Aber SINAen läuft wunderbar. Auch die teilweise wirklich ekelige Dünung stellt sie vor keine großen Probleme. Wie schnell sie wohl wäre, wenn ich die Schwerter hochnehmen würde? Wenn ich alleine fahre, lasse ich sie meistens unten, um flexibel zu sein. Wird es kribbelig, komme ich nicht nach vorne, um sie herunter zu lassen. Das ist ein wirklicher Nachteil. Zum Beispiel bei der Gipsy im Verein läßt sich das Schwert von hinten mit einem Fall mühelos bedienen. Dafür kann man darauf keine Luftmatratze auslegen.

Mit erreichen der Stor Triss mache ich langsamer, oft fahre ich ohne Fock. Mein erstes Ziel ist erreicht, wir fahren im Verbund. Vorne sehe ich jemanden SINAen fotografieren. Das ist eine gute Idee, ein Bild vom eigenen Boot auf "hoher See" habe ich noch nicht. Sofort hole ich auch meinen Apparat aus der Backskiste heraus und fotografiere zurück. So habe ich etwas zum Tauschen. Im Hafen geben wir uns später gegenseitig unsere Adressen und das Versprechen, die Bilder zuzuschicken. Ich bin gespannt, hoffentlich ist es gut geworden. Kurz vor der Hafeneinfahrt frischt es noch einmal auf. Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, denn ich muß wenigstens einmal Halsen. Doch dann schummele ich mich so schräg in den Hafen, daß es nicht notwendig ist. Zwar stütze ich den Baum mit der Hand ab, aber die Halse im starken Wind bleibt mir erspart.

Auf_hoher_See Auf_hoher_See
SINAen auf "hoher" See.
Im Masttopp der selbstaufblasende Kentersack gehört neben
Rettungsweste und Trockenanzug zu meiner Sicherheitsausstattung

Im hintersten Winkel des Hafens fahre ich in eine kleine Box und mache SINAen um 14 Uhr vorläufig fest. Ein dänischer Segler im Clubhaus meint zwar, daß ich da liegen bleiben könne, um aber zu vermeiden, daß jemand mich dort vertreibt, suche ich einen Gästeliegeplatz. Der ist natürlich auf der anderen Seite des Hafens. Der mittlererweile kräftige Wind macht das Paddeln zur Qual und ich gebe auf. Mit einer langen Leine will ich es jetzt versuchen. Dazu muß ich ins Wasser. Am Hafenrand entlang zu gehen reicht nicht, also mitten durch. Wollte ich doch schon immer den Trockenanzug richtig ausprobieren. Abgesehen vom linken Füßling, von dessen Undichtigkeit ich bereits weiß, scheint er nur an der rechten Hüfte minimal Wasser durchzulassen. Ein tolles Gefühl, Schwimmen zu gehen und danach trocken aus dem Wasser zu kommen. Pullover, Hose, alles trocken, bis auf die linke Socke und den unteren Teil des gleichen Hosenbeins. Wenn das Leck auch noch dicht ist, ist das wohl eine der besten Anschaffungen, die ich mir für die Sicherheit beim Segeln zugelegt habe. Es muß witzig ausgesehen haben, wie einer durch das Hafenbecken schwimmt und seine Jolle Gassi führt. Zum Glück kennt mich hier keiner!

Rønbjerg
Im Hafen von Rønbjerg

Etwa zwei Stunden sind seit unserer Ankunft vergangen, da setzt wieder die gewohnte Nachmittags-Windstärke ein. Der Windmesser zeigt bis zu 12,5 m/s und auf der Hafeneinfahrt steht eine mächtige Welle. Abends sind es fast 14 m/s. Wenn sich das nicht ändert, komme ich hier nur mit dem Trailer weg. Sollten morgen früh die Verhältnisse jedoch wieder so wie heute sein, werde ich wohl nach Hvalpsund segeln. Gut möglich, daß dort die Reise dann zuende ist. Zu Abend gehe ich Essen. Es gibt hier keinen geschützten Platz, an dem mein kleiner Kocher funktionieren würde.

Donnerstag, 21.07.

In dieser Nacht schlafe ich nicht besonders gut. Ich habe das Gefühl, durchgehend wach zu sein, was sicherlich nicht stimmt. Bis vier Uhr höre ich den Wind kräftig blasen, erst danach scheint er etwas nachzulassen. Um halb sechs stehe ich schließlich auf. Der Windmesser schwankt zwischen 7 und 8 m/s, wenn es so bleiben sollte, wäre es kein Problem. Aber es regnet, kein gemütlicher Anfang des Tages. Die Besatzung der Stor Triss bleibt heute im Hafen. Ich frühstücke erst einmal recht ausgiebig im Clubhaus. Der Regen verschwindet. Es bleibt zwar alles grau in grau, aber eigentlich könnte man ja doch den Absprung schaffen. Ich schwanke, kann mich nicht recht entscheiden. Die größte Sorge ist der Wind, gegen den ich den Liegeplatz verlassen muß. Zum Segeln ist es zu eng und paddeln wird anstrengend. "Eigentlich hast Du Dich schon längst entschieden. Nun mach auch" denke ich bei mir. Also gut, alles wird klar gemacht. Den ganzen Gang muß ich gegenan. Mit viel Kraft paddeln und auch noch die Pinne bedienen, gelingt mir meistens nicht. Irgendwie schaffe ich es dann doch, setze das Großsegel, nicht ohne den Bug gegen eine dicke Schraube zu donnern, die aus der Hafenwand heraus schaut, an der ich zum Segelsetzen festgemacht habe, und bin nach vier Schlägen aus dem Hafen heraus.

Hvalpsund
Der Hafen von Hvalpsund ist erreicht

Es ist Viertel nach neun. Ich treffe unerwartet wenig Wind an, mit geschätzten 3 Bft im Rücken streichen wir die Küste entlang. Zwei "Kaps" muß ich passieren, um nach Hvalpsund zu gelangen. Auf dem zweiten sitzt eine große Schar schwarzer Vögel. Aus der Entfernung sieht es aus, wie eine Kolonie Pinguine. Bin ich etwa schon am Kap Hoorn? Als sich die Pinguine geschlossen in die Luft erheben, ist die Illusion verpufft. Hinter diesem Kap wird es ganz ruhig. Wir kommen kaum noch voran, erst als ich die Schwerter hochnehme, kommt wieder etwas Fahrt ins Boot. 4 Stunden benötige ich bis Hvalpsund, die Sonne scheint, das Boot läuft gut in dem schwachen Wind und ich fahre an der Hafeneinfahrt einfach vorbei. Vielleicht wird es jetzt doch noch schön? Ich könnte noch nach Virksund fahren, schließlich habe ich noch zwei Tage. Gemütlich geht es weiter um das dritte Kap, nun bin ich im Lovns Bredning.

Lovns_Bredning
Hier beginnt der Lovns Bredning

Als es etwas auffrischt, schaue ich in den Himmel. Bis eben war alles noch friedlich da oben, jetzt steht direkt in Luv eine schwarze Wand. Kommt jetzt doch noch der starke Wind, wie jeden Nachmittag bisher? Also gut, überredet, heute ist Schluß. Der Schlafsack ist sowieso naß geworden. Ich drehe um, die eben genossene schöne Strecke muß zurück gekreuzt werden. Doch erst nehme ich eine Dusche. Es regnet wie aus Kübeln. Die Schläge zurück sind sehr schön. Nachdem es sich ausgeregnet hat, scheint wieder die Sonne, der Wind kommt sehr regelmäßig mit angenehmer Stärke und die Wellen sind auch sehr harmonisch. Beim letzten Schlag läuft SINAen so reibungslos, daß ich zum ersten Mal das Boot wie aus der Ferne in seiner Gesamtheit am Wind beobachten kann. Das vom Wind wohl geformte, dicht geholte Großsegel, die eingerollte Fock, das Luvschwert, das zur Hälfte aus dem Wasser schaut und die Wellen, die sich elegant um den langgezogenen Rumpf schlängeln. Ich bin rundum glücklich und zufrieden. Mit diesem Gefühl kann die Fahrt zuende gehen. Nach insgesamt 7 Stunden liegt SINAen in der Slipanlage von Hvalpsund und wartet auf den Trailer. Nach einer Stunde ist alles verladen. Nun folgt die sechsstündige Autofahrt nachhause. Dann ist das Abenteuer Limfjord beendet. Fürs erste wohl nur, denn ich komme bestimmt wieder.

Ende
Der Törn endet in der Slipanlage in Hvalpsund


eMail Gästebuch

02.08.2005