Det Norske Fjellmaraton

Als ich den Lauf Esefjorden Rundt im letzten Jahr ohne Rückenschmerzen absolviert hatte (deutscher Homöopathie und norwegischer Physiotherapie sei Dank), nahm ich mein in Deutschland wegen genannten Problems beendetes Lauftraining wieder auf. Ein Marathon war früher schon ein großer Wunsch gewesen, erfüllen hatte ich ihn mir jedoch bisher nicht können. Jetzt oder nie war daher meine Überlegung. Ich begann also eifrig zu trainieren. Nach kurzer Zeit schaffte ich Trainingsläufe bis 25 Kilometer. Im September 2010 erfolgte dann der erste Zwischenschritt: Mein erster Halbmarathon in Knarvik. Viel zu schnell angegangen - und dadurch am Ende völlig fertig - schaffte ich den knapp unter zwei Stunden.

Gegen Weihnachten entschied ich mich dann für den Marathon in Beitostølen am 04.06.2011. Ausschlaggebend für die Wahl war die Streckenführung. Die Teilnehmer werden von Beitostølen mit dem Bus über den Hochpass Valdresflya 42,195 km ins Nichts gefahren, zurück geht es dann immer dem Reichsweg 51 folgend zu Fuß. Die Landschaft ist einzigartig und gehörte schon vorher zu einer meiner Lieblingslandschaften Norwegens. Einziger Haken an diesem Marathon ist das Höhenprofil. Der Start erfolgt in 900 Metern Höhe, nach 10 Kilometern in 1.000 Metern beginnt der Aufstieg zur Valdresflya, die knapp 1.400 Meter hoch liegt (1.389 Meter, um genau zu sein), dort ist die Hälfte der Distanz geschafft. Von dort geht es wieder hinunter nach Bygdin in etwa 1.050 Metern, um dann noch einmal etwa 150 Meter anzusteigen, bevor es schließlich nur noch bergab nach Beitostølen geht. Das Ziel dort liegt etwa auf gleicher Höhe, wie der Start. Zu der Marathondistanz müssen also noch ungefähr 700 Höhenmeter überwunden werden.

Trotzdem, dieser Lauf sollte es unbedingt werden: Mein erster Marathon. Am Donnerstag bin ich zur Hütte gefahren, da ich von dort in knapp 1,5 Stunden nach Beitostølen komme. Auf dem Weg dahin fuhr ich die Strecke mit dem Auto ab. Das hatte zwei Gründe, zum einen zur mentalen Vorbereitung und zum anderen, um die Strecke für diesen Bericht zu fotografieren. Der größte Schrecken der Strecke war damit auch genommen, so steil war der Aufstieg nicht, zumindest nicht aus Sicht des Autofahrers. Allerdings herrschte auf der Valdresflya ein strammer Gegenwind bei 4 Grad, also nichts mit T-Shirt und kurzer Hose. Immerhin sagte die Wettervorhersage strahlenden Sonnenschein voraus.

Am Samstag früh fuhr ich dann los. Abfahrt der Busse war um 7:45 Uhr, Abfahrt an der Hütte gegen 5 Uhr. Geschlafen hatte ich sowieso schlecht, zum einen hatte ich mir auf der Terrasse von der Sonne den Bauch verbrennen lassen und zum anderen war ich total aufgeregt. Diese Aufregung steigerte sich unaufhaltsam bis zum Start. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal soviel Angst vor einer Aufgabe hatte, dabei ging es eigentlich doch um nichts.

Im Winterlaufzeug, übergezogen über dem Sommerlaufzeug, startete ich dann zusammen mit dem Teilnehmerfeld von etwa 100 Läufern. Die zu laufende Zeit war mir völlig egal, ich wollte nur ankommen. Dazu hatte ich mir als Taktik vorgenommen, ganz gemütlich zu laufen und an jeder Essenstation anzuhalten, in Ruhe zu trinken und erst dann weiterzulaufen. Bei einer solch kleinen Teilnehmerzahl kann man sich vorstellen, dass dort eigentlich nur Profis, Halbprofis und ich dabei waren. So fiel es mir dann auch nicht leicht, ruhig zu beginnen, während sich das Feld fast geschlossen von mir verabschiedete. Aber ich blieb bei meinem Vorhaben und so dauerte es nicht lange, da hatte ich den Weg für mich alleine, gelegentlich sah ich am Horizont noch jemanden, aber ansonsten konnte ich mich nur auf mich konzentrieren.

An den Essenstationen unterhielt ich mich dann auch kurz mit den Helfern und bedankte mich für ihren Einsatz, was zur Folge hatte, dass einige von denen später, nachdem sie ihren Stand abgebaut und Richtung Ziel fuhren, mich fröhlich hupend und winkend grüßten.

Lange Zeit war ich Letzter, zumindest habe ich hinter mir niemanden gesehen. Einzige Ausnahme war ein Mann, dessen Alter unterschiedlich zwischen 85 und 88 angegeben wurde. Man sagte, dass er 5 Marathon pro Jahr läuft. In der Ergebnisliste vom letzten Jahr steht er mit einer Zeit von 7:05, dabei kann er nicht einmal aufrecht stehen. Alle, die von ihm sprachen, waren von ihm begeistert, und auch mir fehlen die Worte, um meinen Respekt für diese Leistung ausdrücken zu können.

Auf der Valdresflya war ich nach ziemlich genau 2:30 Stunden, der Anstieg war wirklich nicht so anstrengend. Ich achtete streng darauf, in meiner 4-Schritt-Technik zu laufen. Vier Schritte zum Einatmen, und vier zum Ausatmen. Das ist die Geschwindigkeit, in der ich den Puls zum langen Laufen habe. Zur Nahrungsunterstützung hatte ich drei Gelpacks mit, von denen ich an jeder Essenstation jeweils etwa ein Drittel zu mir nahm. Sowas soll man niemals machen, ohne es vorher probiert zu haben. Irgendwie bin ich aber während meiner Vorbereitungszeit nicht dazu gekommen, vielleicht war ich auch einfach nur zu geizig. Jedenfalls schmeckte das Zeug gut und ich hatte auch keine negativen Erlebnisse davon (manche bekommen Magenverstimmungen davon). Oben angekommen, hatte der Wind gegenüber Donnerstag gedreht und wehte von hinten, dazu war es auch nicht so kalt. Meine Winterlaufsachen ließ ich dann an der Essenstation zurück, die wurden vom Veranstalter mit dem Auto zum Ziel gebracht. Danach ging es eine ganze Zeit lang bergab. Den nächsten Anstieg hatte ich eingeplant zu gehen, und genau so kam es auch. Allerdings ging ich schneller als ein anderer Teilnehmer, der mir erzählte, er wäre zu schnell gestartet.

Als der zweite Berg überwunden war, konnte ich noch zwei weitere Teilnehmer überholen, die nur noch gehen konnten, obwohl es schon wieder bergab ging. Nach der letzten Essenstation vier Kilometer vor dem Ziel begann dann mein Endspurt. Jetzt mit 3-Schritt-Technik, die ich bei kürzeren Distanzen anwende, und mit der ich beim Halbmarathon nach 15 Kilometern absolut leer war, schielte ich doch noch etwas auf die Zeit, mit selbstgestoppten (die offiziellen Ergebnislisten liegen noch nicht vor) 5:00:59, schaffte ich es gerade nicht, unter 5 Stunden zu bleiben, aber da ich nur ankommen wollte, wäre ich auch mit 5:30 oder 6 Stunden absolut zufrieden gewesen.

Und jetzt kommt das Erstaunlichste: An meinen Füßen ist nicht eine Macke. Selbst meine Standardblase am linken großen Zeh ist nicht gekommen. Vielleicht lag es an meinen heißgeliebten Trysil-Sportsocken, hatte extra ein ganz neues Paar genommen. Natürlich konnte ich im Ziel kaum noch gehen. Durch die Sehnenverkürzung an den Unterschenkeln (dafür gibt es sicher einen Fachausdruck) tat jeder Schritt weh. Aber 24 Stunden nach Zieleinlauf ist kaum noch etwas davon zu spüren. Ich fühle mich so fit, dass ich, nachdem ich diesen Bericht getippt habe, die Turnschuhe anziehen und noch ein paar Kilometer laufen werde.


Der Start in 900 Metern Höhe


Zuerst geht es diesen See entlang


Scheinbar endlos


Bei etwa Kilometer 10 beginnt der Anstieg zur Valdresflya


Nicht steil, aber stetig


Das Panorama ist unbeschreiblich und läßt sich mit Fotos nicht wiedergeben


Außer Landschaft ist hier nichts


Oben: Am Horizont links vom Weg das Wandererheim, der höchste Punkt der Valdresflya


Nun geht es wieder bergab


Um den Berg herum kommt Bygdin


Der letzte Aufstieg. Hier "verlor" ich meinen Status "Letzter"


Das Ende des Aufstiegs. Noch einmal lang geradeaus


Dann nur noch bergab nach ...


... Beitostølen

Ein Wahnsinns-Erlebnis!!

NACHTRAG:

Laut offizieller Ergebnisliste erreichten 85 Läufer das Ziel, 72 Männer und 13 Frauen. Mit einer Zeit von 5:00:56 liege ich auf Platz 66 der Männerliste, habe also sechs Männer (und eine Frau) hinter mir lassen können. Da ich definitiv nur drei überholt habe, war ich - entgegengesetzt zu meiner Beschreibung - nie Letzter. Der Sieger Gjermund Sørstad gewann mit einer Zeit von 2:42:57.

Der imponierendste Teilnehmer heißt Kristoffer Gythfeld und ist doch schon 88 Jahre alt. Seine Zeit: 7:31:38, das ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,6 km/h. Da möchte ich behaupten, dass ihm die größte Zahl "normaler" Menschen, die jeden Schritt mit dem Auto erledigt, auf die Distanz nicht hätten folgen können. Ich bin immer noch tief beeindruckt!


Kristoffer Gythfeld kurz vor dem Ziel beim Hadeland Maraton zwei Wochen vorher
Quelle: www.vgil.no

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07.06.2011